Eine Koalition von religiösen Gemeindeleitern soll Präsident Joe Biden helfen, die Menschen impfen zu lassen. Doch besonders die schwarzen Kirchen fühlen sich benutzt und von wichtigen Ressourcen ausgeschlossen – wie schon so oft in ihrer Geschichte.
von Andreas Robertz

Reverend Anthony Evans ist Präsident der Black Church Initiative, einer Koalition von mehr als 150.000 African-American und Latino Gemeinden in den USA. Er begrüßt die Initiative der neuen Regierung. Zusammen mit Ärzten und Gesundheitsspezialisten aus ihren eigenen Reihen haben sie einen 170 Seiten starken Aktionsplan erarbeitet und dem Gesundheitsministerium vorgestellt; 2,5 Millionen freiwillige Helfer stünden bereit ihn umzusetzen. Mit ihm könnte man in kürzester Zeit die mehr als 105 Millionen Afroamerikaner und Latinos im Land informieren und impfen lassen. Doch der Plan findet bisher kein Gehör.

O-Ton Evans: Wir repräsentieren das Herz der schwarzen Kirche. Ohne uns kann kein Programm funktionieren. Das sehen wir jetzt bei der Verteilung der Impfstoffe. Was gemacht wird ist das Gegenteil von dem, was empfohlen wurde: Die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen sollte zuerst geimpft werden, die Alten, die mit chronischen Gesundheitsproblemen, schwangere Frauen, die Krüppel und die Blinden und danach erst die gesunde Bevölkerung. Das hat nun gewechselt: zuerst die allgemeine Bevölkerung.
Am meisten gefährdet, die meisten Opfer, am wenigsten geimpft
Dabei zeigen die Auswertungen aller wichtigen Gesundheitsinstitutionen des Landes das gleiche Bild: Afroamerikaner sind am meisten gefährdet, beklagen die meisten Opfer und werden am wenigsten geimpft. Glaubt man dem John Hopkins Hospital sind mehr als 50% aller Toten Afroamerikaner und Latinos. In überwiegend von Schwarzen bewohnten Gegenden ist die Todesrate mehr als doppelt so hoch wie im nationalen Durchschnitt, allein 70.000 Tote in den letzten 10 Wochen. Doch die Rate der ausgeführten Impfungen in schwarzen Nachbarschaften ist deutlich niedriger als in weißen: 24% bei Afroamerikaner, 25% bei Latinos und 36 % bei Weißen.
Reverend Evans behauptet, viele Gouverneure setzen in der Impfreihenfolge andere Prioritäten:
O-Ton Evans: Einige der Gouverneure haben erst mal ihre politischen Freunde geimpft, und die, die ihnen Geld spenden. Andere Gouverneure denken, sie wissen es besser als ihre Gesundheitsämter und haben das Programm so ausgeführt, wie sie meinen. Deswegen gibt es keine einheitliche Verteilung auf Länderebene. Aber in allen Fällen wurden die afroamerikanischen und Latino Communities an den Rand gedrückt, ein weiteres Beispiel für den institutionellen Rassismus hier.
Oft spielt auch Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit der Behörden in den Landkreisen eine Rolle, wie eine Studie des Instituts für Umwelt und Gesundheit im April veröffentlichte: Demnach ist es weitaus einfacher und billiger irgendwo außerhalb der Wohnviertel ein Impfzentrum aufzumachen, das man mit dem Auto erreichen kann, als in ärmere Gegenden zu gehen und die Menschen dort abzuholen, wo sie sind.
Fehlende Solidarität von weißen Gemeinden
Es fehle auch deutlich an Solidarität der weißen christlichen Gemeinden, beklagt Reverend Evans. Für viele von ihnen stehe die Verfassung auf gleicher Ebene wie die Bibel und da die Verfassung ihnen die Freiheit der Wahl zugestehe, müssen sie sich nicht impfen lassen. Nach einem Artikel der New York Times herrsche in vielen der weißen evangelikalen Gemeinden in ländlichen Gegenden eine Art religiöser Fatalismus: Wenn Gott will, dass ich an Covid-19 sterbe, dann hilft auch eine Impfung nicht. Die Bibel selbst sage nichts über das Impfen aus, aber in der Argumentation vieler schwarzer Gemeindevorsteher, so Reverend Evans, könne man seine christlichen Pflichten nur ausüben, wenn man gesund ist, also müsse man alles tun, um die Pandemie zu überleben.
O-Ton Evans: Die weiße Kirche glaubt die Tatsache, dass die Verfassung ihnen die Freiheit der Wahl zugesteht, stünde höher als die biblischen Verpflichtungen. Wir sehen das genau andersherum. Die protestantische Kirche wird ein Kirchenedikt erlassen, dass jeder in der christlichen Kirche geimpft werden muss, weil wir unsere Verpflichtungen gegenüber Christus nicht erfüllen können, wenn wir nicht geimpft sind, Verpflichtungen wie den Schutz der Armen, Verbreitung des Evangeliums und das moralische Rückgrat der Gesellschaft zu sein.
Der Fall Susan Moore
Aber wie kann man Menschen zur Impfung verpflichten, die sich nicht impfen lassen wollen?Deswegen sei eine Informationskampagne so wichtig, erklärt Reverend Evans. Gerade ältere Menschen und Menschen mit chronischen Krankheiten haben oft Angst, einem Impfstoff zu vertrauen, der negative Nebeneffekte haben könnte. Hier machen sich die Jahrzehnte schlechter Gesundheitsversorgung besonders bemerkbar. Viele haben auch schlechte Erfahrungen mit den Gesundheitsbehörden gemacht. Erst im Dezember 2020 ging der Fall der 53jährigen schwarzen Doktorin Susan Moore durch die nationale Presse. Sie kam mit schweren Covid-19 Symptomen in ein Krankenhaus in Indianapolis und wurde dort wie eine Drogenabhängige behandelt. Als sie sich beschwerte, wurde sie kurzerhand entlassen. In einer Videobotschaft berichtete sie über ihre Behandlung.
Atmo Moore: „And than he stated: you just should go home and I dont feel comfortable giving you narcotics anymore. I was in so much pain for my neck. My neck hurt so much..“
Sie starb 10 Tage später.
Nicht einen Pfennig…
Reverend Evans betont, wie wichtig es ist, die Menschen zu überzeugen, ihnen Mut zu machen, Ängste zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die Impfstationen leicht zugänglich sind. Das koste aber Geld.
O-Ton Collins: Ich repräsentiere 150.000 Gemeinden, 27,7 Millionen Afroamerikaner, und habe bis heute noch nicht einen Pfennig von der Regierung bekommen, um die Überzeugungsarbeit zu leisten, damit die 106 Millionen Menschen, die wir im Auge haben, geimpft werden. Da gibt es keinen Widerstand, es fehlt einfach an Ressourcen um sich um die Sorgen gegenüber den Impfstoffen zu kümmern.