Eine Ausstellung am MoMA über Stop Motion Animation und Guillermo del Toros neuesten Film.
von Andreas Robertz
Animationsfilme in der Stop Motion Technik scheinen eine Renaissance zu feiern, nachdem sie durch die Digitalisierung seit Jurrasic Park eigentlich fast vollständig aus der Kinolandschaft verschwunden waren. In dieser Technik werden sehr aufwendig Puppen der animierten Figuren erstellt und dann leicht verändert Einstellung für Einstellung abgefilmt, so dass die Illusion einer Bewegung entsteht. Filme wie Wes Andersons „Isle of Dogs“, Philip Tippets „Mad God“, gerade erst im Oktober Jordan Peels und Henry Seliks „Wendell and Wild“ und ganz aktuell Guillermo de Toros Pinocchio haben dieses Genre wieder neu entdeckt und bei Kritikern geradezu Stürme der Begeisterung ausgelöst. Das Museum of Modern Art in New York eröffnet nun pünktlich zum Streaming Start von Guillermo de Toros Pinocchio bei Netflix eine Ausstellung zu diesem Film: „Guillermo del Toro: Crafting Pinocchio”. Aber eine klassische Weihnachtsausstellung für Kinder ist es nicht – ebenso wenig wie der Film selbst.
Crafting Pinocchio
Pinocchio ist knapp 20 Zentimeter groß und aus mehr als 120 Teilen zusammengebaut. Winzig kleine Kugelgelenke ermöglichen das Bewegen der Gliedmaßen bis hin zu den Händen und der Kopf besitzt eigens hergestellte Augäpfel, die sich bewegen können.
Für Kurator Ron Magliozzi war es ein Glücksfall, eine Ausstellung über einen Film machen zu können, während er noch gedreht wird:
Netflix hat uns eingeladen, zu sehen, wie der Film gemacht wird und gefragt, ob wir Interesse hätten, eine Ausstellung dazu zu machen. Also sind wir nach Oregon gereist und haben dort eine Woche lang zugesehen, wie an denselben Sets gedreht wurde, die jetzt auch hier zu sehen sind.
So ist der Aufbau der Ausstellung diesem Besuch nachempfunden: Im ersten Teil wird der ästhetische Prozess gezeigt, der zum Gesamteindruck des Filmes geführt hat: von Zeichnungen und historischem Material über Modelle und Gießformen der Puppen bis hin zu den Farbpaletten für die verschiedenen Atmosphären im Film. Im zweiten Teil dann acht Miniaturspielorte, den sogenannten Sets, an denen gefilmt wurde und die hier original wieder aufgebaut wurden. Zum Beispiel Geppettos Werkstatt, die Kirche, der Marktplatz der kleinen Stadt und das militärische Umerziehungslager, das in Guillermos Version Walt Disneys Pleasure Island ersetzt.
Bei unserem ersten Treffen hat Guillermo gesagt, wir sollen eine Ausstellung über Handwerk, Prozess und die gemeinsame Anstrengung machen, die es braucht, um Stop-Motion-Animationen zu machen. Er war von Stop Motion Filmen fasziniert und wollte immer selber einen machen. Es hat 10 Jahre gedauert, diesen Film zu drehen.
Es ist es faszinierend zu sehen, wie viele Künstler zusammenkommen müssen, damit ein stimmiges Gesamtprodukt entstehen kann: Grafiker, Modellbauer, Puppenbauer, Designer und Kostüm- und Maskenbildner. Zum Beispiel bei der Entwicklung des Dogfisch, einer Mischung aus Fisch und Bulldogge, der hier den Wal der Walt Disneys Version ersetzt, oder des Todes, einer sphinxartigen Figur, deren Augen aus kleinen blauen Scheinwerfern bestehen.
An den Sets, die wie Puppenhäuser den Betrachter völlig in ihren Bann ziehen können, kann man auf Monitoren sehen, wie sich die Puppen im Set bewegen, während ein Techniker in Zeitraffer sie von Einstellung zu Einstellung verändern. Auf einem zweiten Monitor sind Körper – und Gesichtsbewegungen menschlicher Spieler zu sehen, an die sich der Techniker orientieren kann. So helfen digitale Programme, die Stop Motion Technik zu perfektionieren.
Für Regisseur Guillermo de Toro ist diese Filmtechnik nicht nur Kinderfilmen vorbehalten, erklärt Kurator Magliozzi:
Viele sehen Animation als ein Medium für Kinder. Aber für Guillermo ist es ein Medium für den Ausdruck von Erwachsenen. Genauso wie Graphic Novels ein Medium für Erwachsene sein können und auch Comics Erwachsene ansprechen. Das ist seine Einstellung und das wollte er hier beweisen.
Passend dazu spielt sein Pinocchio im faschistischen Italien der 1940er Jahre, was dem Film einen eher ernsten Unterton gibt.
Ich habe Pinocchio nie gelesen. Ich kannte nur den Disneyfilm, den ich sehr mag. Aber wenn man das Buch liest, sieht man, dass es sehr düster ist, auch wenn es für Kinder geschrieben wurde. Pinocchio hat sehr viele Missgeschicke. Er wird in einem Fischnetz gefangen und der Fischer kocht ihn. Irgendwann wird er aufgehängt und getötet, aber dann wieder zum Leben erweckt. Guillermos Film spiegelt diese dunklere Seite wider. Und aus Disneys Vergnügungsinsel ein faschistisches Umerziehungslager zu machen, ist sehr gewagt.
Der historische Kontext macht für Guillermo de Toros Version allerdings viel Sinn, denn es geht in seinem Film darum, dass Gehorsamkeit und Disziplin keine Werte an sich sind und Pinocchio in seinem kindlichen Widerstand deswegen zum Helden wird.
Die Ausstellung ist noch bis zum 15. April am MoMA in New York zu sehen.