von Andreas Robertz
Als James Bond mag Daniel Craig zwar seine letzte Ruhe gefunden haben, aber auf der Bühne ist er immer noch quicklebendig. Für das New Yorker Publikum ist der heute 54-Jährige kein Fremder, stand er doch bereits 2009 mit Hugh Jackman in dem Polizistendrama „A Steady Rain“ auf den Brettern des Broadway und 2016 konnte er in der Off-Broadway Version von Othello als Jago und Gegenspieler von David Oyelowo überzeugen. Man könnte sagen, Soldaten liegen ihm. Regie führte damals Sam Gold. Nun ist Daniel Craig am Broadway in einer neuen Shakespeare Premiere zu sehen, erneut in der Regie von Sam Gold: Macbeth. Als Lady Macbeth ist die äthiopisch-irische Schauspielerin Ruth Negga zu sehen, die 2016 für ihre Darstellung von Mildred Loving in dem Film Loving den Oscar als beste Darstellerin gewann.
Eine schwarze leere Bühne, ein fahrbarer Edelstahltisch mit Küchenutensilien wie in einem Kochstudio, drei Schauspieler in Jeans, Sweatshirts und Sneakers, die schnipseln und kochen. Jemand liegt auf der Bühne und wird vorsichtig an den Beinen hochgezogen. Eine der Köchinnen entnimmt Blut aus seiner Halsschlagader, während andere Spieler mit tragbaren Nebelmaschinen und Scheinwerfern um das Geschehen herumstehen – alles wirkt wie bei einer technischen Probe auf einem Filmset. Irgendwann beginnen die Köche mit dem Hexenprolog. Dass sie den Text möglichst wie Alltagssprache wegsprechen und gar nicht erst versuchen eine gemeinsame Energie zu finden, scheint zum Regiekonzept zu gehören. Plötzlich steht Daniel Craig als Macbeth im Scheinwerfelkegel und hört jenen fatalen Prophezeiungen der Hexen zu, die aus dem treuen Soldaten einen feigen Mörder machen werden. Nun, so hofft man, ist die Inszenierung im Stück angekommen.
Eine endlose Reihe falscher Regieentscheidungen
Doch der Abend entpuppt sich als eine endlose Reihe falscher Regieentscheidungen, die die Schauspieler wie gestrandete Figuren an einer fremden Küste wirken lassen. So gelingt nicht ein einziger Choreinsatz unisono, Figuren werden gender-mäßig gegenbesetzt, ohne dass es wirklich Sinn macht, Kostüme wirken wahllos zusammengesucht und die Idee, Licht und Nebel als erzählerische Elemente zu benutzen wird auf halber Strecke wieder aufgegeben. Das 12-köpfige Ensemble besteht aus Männern, Frauen und einem Kind, die je nach Szene in die verschiedenen Rollen springen. Das ist absurd dann, wenn das Kind zu einem der Soldaten wird, der am Ende gegen Macbeth antreten muss. Lady Macbeth fällt ihrem Mann am Anfang wie ein kleines Mädchen in die Arme, um sich ihm dann kokett zu verweigern, als ginge es nicht darum einen zögernden Mann von einer Bluttat zu überzeugen, sondern einen Papa davon, ein schönes Kleid zu kaufen.
Ist Macbeth frauenfeindlich?
In einem Interview vor wenigen Monaten sprach Regisseur Sam Gold davon, dass die Charakterisierung von Lady Macbeth als machtgierige treibende Kraft ein frauenfeindliches Konzept sei. Hier hat aber jemand vor lauter politischer Korrektheit die grundlegende Dynamik des Stückes nicht verstanden. Denn ohne die manipulierende machthungrige Kraft der Lady Macbeth funktioniert die Geschichte nicht. Ruth Negga als Lady Macbeth findet dadurch den Kern ihrer Figur nicht und Daniel Craig bleibt nichts anderes übrig, als die Verwandlung seiner Figur ohne sie zu behaupten.
Das führt dann dazu, dass er direkt nach dem Mord an seinem König, außer sich vor Schuld, erst mal eine Dose Bier öffnen muss, während Lady Macbeth vergeblich versucht ihn zu beruhigen: das erzeugt viele Lacher im Publikum, doch an einer völlig falschen Stelle. Warum Craig danach als neuer König die ganze Zeit in einem lächerlichen weißen Pyjama herumlaufen muss, bleibt ein weiteres Rätsel der Inszenierung: ein bisschen Tarantino, ein bisschen armes Theater, ein bisschen Dekonstruktion – als wäre der Abend nur ein weiteres, schwer nachzuvollziehendes Rezept von Shakespeares Hexen.
Daniel Craig’s gescheiterter Macbeth
Man muss es Daniel Craig zugute halten, dass er es trotz dieser Hindernisse immer wieder schafft, mit seiner Bühnenpräsenz und dem gekonnten Umgang mit dem Text den Abend zusammenzubringen. Doch letztendlich scheitert sein Macbeth an einem Regisseur, der es versäumt hat, mit seinem Ensemble ein stimmiges Gesamtkonzept zu erarbeiten.
Macbeth am Broadway zeigt wieder einmal, dass es amerikanischen Theatermacher*innen unglaublich schwer fällt, auf großer Bühne einen ästhetisch mutigen Theaterentwurf zu formulieren. Inszenierungen sind fast immer naturalistisch und wenn sei überzeugen, liegt es meistens daran, dass die Regie den Schauspielern nicht im Wege stand. Dabei ist die Entscheidung Shakespeares dunkelstes Drama in einer Zeit, in der die Welt im freien Fall zu sein scheint, auf den Spielplan zu setzen, richtig und spannend. Regisseur Sam Gold wäre hier gut beraten gewesen, zumindest den Instinkten seiner Shakespeare geübten Schauspieler Daniel Craig und Ruth Negga zu vertrauen. Am Ende sitzt das gesamte Ensemble auf der Bühne und lässt sich von den Hexen wie in einer Armenküche etwas zu essen geben. Das wäre doch ein gutes Anfangsbild gewesen.