I found God in myself and loved Her

45 Jahre nach der Uraufführung ist Ntozake Shanges wegweisendes Drama „For Colored Girls who have considered suicide/ when the rainbow is enuf“ wieder am Broadway zu sehen.

von Andreas Robertz

For Colored Girls am Broadway
(left to right): Stacey Sargeant Lady in Blue), Amara Granderson (Lady in Orange), Okwui Okpokwasili (Lady in Green), Tendayi Kuumba (Lady in Brown), Kenita R. Miller (Lady in Red), D. Woods (Lady in Yellow), Alexandria Wailes (Lady in Purple) in for colored girls… , photos by Marc J. Franklin

Vor 45 Jahren, 1976, wurde das Theaterstück „For Colored Girls who have considered suicide/ when the rainbow is enuf“ der US-amerikanischen Dichterin Ntozake Shange in New York uraufgeführt. Zum ersten Mal standen in den USA Frauen of Color im Mittelpunkt eines Dramas und redeten, tanzten und sangen offen über Rassismus, Chauvinismus, sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt. Das Stück war damals so erfolgreich, dass es an den Broadway transferiert wurde und dort zweieinhalb Jahre lief. Es wurde unzählige Male an den Bühnen des Landes nachinszeniert und seine Monologe gehören zum festen Repertoire vieler Schauspielschülerinnen. 2010 wurde es in der Regie von Taylor Perry mit Whoopi Goldberg und Janet Jackson erfolgreich verfilmt. Jetzt hatte die erste Neuinszenierung seit damals am Broadway Premiere.



For Colored Girls … am Broadway

Sieben Frauen bewegen sich im selben Atemrhythmus. Sie bilden einen Kreis und beschwören das innere Mädchen in sich, das, wie sie sagen, nie wirklich sein durfte. Die Freiheit eines Kindes sei für sie ein ferner Traum, heißt es. Und dann beginnen sie zu tanzen, mit Kinderreimen und Aufzählversen. „My name is Nina and I am a cutie. If you don’t think so, you can kiss my booty.“ Mit ausgelassenem Lachen und Albereien beginnt ein Theaterabend, der von Gewalt, Verlust, Schmerz und Erniedrigung, aber auch von Sexualität, Selbstbestimmung, Mut und Hoffnung erzählt. Oder wie es eine der Darstellerinnen ausdrückt: lebendig, eine Frau und schwarz zu sein, sei ein metaphysisches Dilemma, das sie bisher noch nicht gelöst habe.

For Colored Girls am Broadway
(l to r): D. Woods (Lady in Yellow), Kenita R. Miller (Lady in Red), Alexandria Wailes (Lady in Purple), Tendayi Kuumba (Lady in Brown), Okwui Okpokwasili (Lady in Green), Amara Granderson (Lady in Orange), Stacey Sargeant (Lady in Blue) in for colored girls… , photos by Marc J. Franklin

Ein bahnbrechendes Ereignis

„For Colored Girls who have considered suicide/when the rainbow is enuf“ war bei der Uraufführung 1976 in vielerlei Hinsicht ein bahnbrechendes Ereignis. Autorin Ntozake Shange, die nach ihrer Scheidung mehre Selbstmordversuche unternommen hatte, beschrieb in ihrem Stück die traumatischen Erfahrungen schwarzer Frauen in einer Gesellschaft, in der sie keine Stimme hatten. Sie nannte ihr Stück ein Choreo-Poem – ein choreographiertes Gedicht. Alle Texte waren im Black English Dialect, es gab keine stringente Spielhandlung und die Charaktere hatten keine Namen; die Figuren waren nach der Farbe ihrer Kostüme benannt. Musik und Bewegung hielten den Abend zusammen. Die Autorin ließ den Spielerinnen viel Raum für Improvisation und Spontaneität und kreierte so ein Theatererlebnis, das sich von Aufführung zu Aufführung verändern durfte.

For Colored Girls am Broadway
Stacey Sargeant (Lady in Blue), Alexandria Wailes (Lady in Purple), Kenita R. Miller (Lady in Red), Tendayi Kuumba (Lady in Brown), D. Woods (Lady in Yellow), Okwui Okpokwasili (Lady in Green), Amara Granderson (Lady in Orange) in for colored girls… , photos by Marc J. Franklin

Eine Produktion, die sich verändern durfte

Regisseurin und Choreografin Camille Brown folgt in ihrer Inszenierung nun ganz der ursprünglichen Vorlage. Die Bühne ist leer, Atmosphären werden mit Licht erzeugt, die Musik reicht von coolem Jazz bis zu mitreißendem Samba, das Ensemble steht im Mittelpunkt. Zum Beispiel wenn die Frau in Rot sich von ihrem Freund lossagt, der sie benutzt und deren Liebe er für selbstverständlich hielt und die anderen Frauen auf der Bühne anerkennend mit den Fingern schnipsen. Und mit ihnen viele im Publikum. Oder wenn die Frau in Blau von der Vergewaltigung durch einen Bekannten berichtet und die anderen um sie herum sitzen und sich mit ihr wiegen. Die Inszenierung schafft es in diesen Momenten, nicht Betroffenheit zu erzeugen, sondern ein Gefühl von Solidarität.

Ntozake Shange, die im vergangenen Jahr im Alter von 70 Jahren starb, wurde wegen dieses Stückes oft kritisiert – auch innerhalb ihrer eigenen Community. Es sei unproduktiv und selbstmitleidig, so offen über Selbstmord und sexuelle Gewalt zu reden. Das passe nicht zum Selbstverständnis einer widerstandsfähigen Community. Doch für die Autorin und ihre Frauen auf der Bühne ist das Aussprechen schmerzvoller Wahrheiten der einzige Weg eine eigene Stimme zu finden.

Verletzlich und stark

„For Colored Girls “ hat in Zeiten von #metoo und Black Lives Matter nichts an Aktualität verloren. Besonders im Kampf gegen Gender-Stereotype und fehlende Repräsentation von Frauen scheint die Bewegung nach den medienwirksamen Enthüllungen der Anfangszeit viel an Dynamik verloren zu haben. Doch wichtige Bucherscheinungen wie Ronan Farrows „Catch and Kill“ enthüllen den ungebremsten Rassismus und Chauvinismus in Hollywood und in den Etagen großer Unternehmen. Und die Tatsache, dass mit Regisseurin Camille Brown zum ersten Mal eine schwarze Frau am Broadway für Regie und Choreografie verantwortlich zeichnet, spricht Bände. Das Stück bietet einen Kontext, in dem Frauen gleichzeitig verletzlich und stark sein können, ohne dass es sich nach Therapie anfühlt. Seine Botschaft, dass schwere und hoffnungslose Zeiten nur zusammen gemeistert werden können, ist universeller Natur und trifft nach zwei Jahren Pandemie einen besonderen Nerv im Publikum.

Am Ende stehen alle Frauen lachend am Bühnenrand und erklären, ihre Liebe sei zu wertvoll, zu heilig, zu schön und zu „Saturday Night“, um missachtet zu werden. Das Publikum antwortet mit begeistertem Applaus.