Das MoMA zeigt Meeresinstallation der südafrikanischen Künstlerin Dineo Seshee Bobape
von Andreas Robertz
Vor gut einem Jahr ging in Lissabon die UN Konferenz zum Schutz der Meere zu Ende – mit einer recht schwachen Abschlusserklärung, die aber zum ersten Mal ausdrücklich von einem Versagen der Weltgemeinschaft sprach, die Meere zu schützen. Es folgten Konferenzen in New York und Panama mit ermutigenden Ergebnissen, denn es gilt zu warme und zu saure Gewässer, Meeresverschmutzung, Überfischung und Rückgang der biologischen Vielfalt zu bekämpfen. Doch was sagt das uralte Meer dazu? Eine abwegige Frage vielleicht, doch die südafrikanische Künstlerin und Filmemacherin Dineo Seshee Bobape war zwei Jahre lang im Auftrag eines internationalen Forschungszentrum unterwegs, das Künstler einlädt über das Meer zu arbeiten. Sie wollte den Geistern der Meere auf die Spur zu kommen. Das Ergebnis ist jetzt zum ersten Mal in den USA zu sehen – am MoMA in New York.
Man betritt den kühlen Ausstellungsraum und wird von einem herrlich erfrischenden Duft begrüßt. Die Künstlerin hat die Mischung aus ätherischen Ölen eigens für die Ausstellung konzipiert: Salbei fürs Reinigen, Beifuß für luzide Träume, Weihrauch für die Ahnen und Rosmarin für die Erinnerung. In einem Kreis aus weißen Steinen nimmt man auf einem blauen Teppich Platz und sieht die Filminstallation über das Meer auf drei gewölbten Leinwänden oder besser gesagt erlebt sie, denn durch das Surround-Sound-System hat man das Gefühl unmittelbar im Geschehen zu sein. Der Titel der Installation heißt ins Englische übersetzt: „My Love is alive. Is alive. Is alive.“
Immer wieder wirft die Künstlerin Dineo Seshee Bobape aufgeschnittene Früchte wie Kakao, Mango, Ananas, Kokosnuss und Papaya ins Wasser oder auch rote Blüten und Bananenblätter. Die Kamera folgt den Objekten über und unter Wasser. Manchmal schüttet sie Milch in die See, die wie eine weiße Wolke langsam im Wasser treibt. In einer schwimmenden Kokosnussschale brennen Opfergaben. Sie singt und schlägt mit ihren Händen auf das Wasser, ein Rhythmus, der von Trommeln und Rasseln übernommen wird; und immer wieder das Rauschen des Meeres, mal sanft, mal donnernd. Kuratorin Martha Joseph:
Die Show hat sehr viel mit Intuition zu tun. Es geht um eine Verbindung mit den Geistern. Dineo selbst ist spirituell und ihre Arbeit hat eine Beziehung zu spirituellen Ritualen.
Auf der Suche nach den Geistern der Meere
Dineo Seshee Bobape hat auf ihrer Reise zu verschiedenen Meeren und Küstenländern auch außerhalb Afrikas überall uralte Rituale von Communities vorgefunden, deren Wurzeln bis in die Zeit des Sklavenhandels zurückreichen.
Es gibt viele Rituale, die in den Küstengebieten der afrikanischen Diaspora durchgeführt werden, bei denen die Menschen mit dem Wasser in Verbindung treten und es gibt auch die Geschichten von Ertrunkenen. Es gibt Meeresgeister, die sehr mächtig sind. Ich habe einige Klänge von verschiedenen Ozeanen aufgenommen, von der Küste Ghanas, von der senegalesischen Küste, von der Küste Virginias, der Pazifikküste, von Kolumbien, von Kapstadt und Jamaika.
Welche Erinnerungen birgt das Meer?
Welche Erinnerungen birgt das Meer? Auf ihrer Reise folgte sie der Route der Sklavenschiffe nach Jamaica und an die Küste Virginias. Kuratorin Martha Joseph:
In der Arbeit gibt es kleine Keramikstücke, die aus der Erde einer ehemaligen Plantage namens Menokin in Warsaw, Virginia, stammen. Mit Menokin ist ein Kollektiv von Nachkommen ehemaliger Sklaven verbunden, die auf diesem Grundstück gelebt und gearbeitet haben. Sie haben mit Dineo diese Keramikstücke hergestellt, die Abdrücke ihrer zu Fäusten geballten Hände darstellen.
Eine weitere wichtige Inspirationsquelle für ihre Arbeit sei eine berühmte historische Fotografie gewesen.
Es gibt dieses Foto von Peter, einem afroamerikanischen versklavten Mann mit dem zerfetzten Rücken und den Narben; und die Narben sehen aus wie die Wellen eines Ozeans, die in der Zeit eingefroren sind, Fleisch, das in der Zeit eingefroren ist. Ich denke dann an das Wasser als Fleisch, das flüssig und beweglich und auch zeitlos ist.
Es gibt dieses Foto von Peter, einem afroamerikanischen versklavten Mann mit dem zerfetzten Rücken und den Narben; und die Narben sehen aus wie die Wellen eines Ozeans, die in der Zeit eingefroren sind, Fleisch, das in der Zeit eingefroren ist. Ich denke dann an das Wasser als Fleisch, das flüssig und beweglich und auch zeitlos ist.
Auch wenn man keinen Zugang zu den unsichtbaren Energien hat, die sie wie eine Schamanin im Film herzurufen versucht, kann man nicht umhin, fasziniert auf das Meer zu schauen, den Gesängen zuzuhören und die Zeit zu vergessen. Die Arbeit berührt tiefe Gefühle von Verbindung und Sehnsucht, aber auch von Bedrohung und Angst.
Das Meer beschwören
Das Werk funktioniert in gewisser Weise wie eine Beschwörung. Es bringt einen in diesen rituellen Raum mit Hilfe verschiedener Sinneseindrücke – visuell, auditiv und geruchsmäßig – um den Besucher in die Nähe einer anderen Ebene zu bringen, einer anderen Art, mit der Welt in Beziehung zu treten.
Mit dem Meer als etwas Lebendiges in Verbindung zu treten, ihm zuzuhören, sich ihm anvertrauen, es zu besänftigen, das scheint die Botschaft von Bopapes Arbeit zu sein. Und in einer sehr persönlichen Note erzählt sie dann, dass sie selbst Angst vor dem Wasser hat und erst langsam lernen musste, den Wellen zu vertrauen.
Die Ausstellung ist bis zum 8. Oktober am MoMA in New York zu sehen. Der Eintritt ist übrigens frei.