Das Metropolitan Museum in New York zeigt umfassende Retrospektive der Harlem Renaissance und ihren Einfluss auf den frühen Modernismus in Europa.
von Andreas Robertz
Zwischen 1918 und 1937 war der schwarze Stadtteil Harlem in New York das Zentrum einer kulturellen Bewegung, deren Einfluss bis heute in Musik, Kunst, Literatur und Kultur zu spüren ist: die Harlem Renaissance. Es war die Hochzeit des Cotton Club, wo Jazz Komponisten wie Duke Ellington Musik für ein neues urbanes schwarzes Publikum schrieb. Dichter und Intellektuelle führten in literarischen Salons hitzige Debatten über das neue Selbstverständnis der schwarzen Community und Künstler entwickelten einen völlig neuen Stil, in dessen Mittelpunkt „the black subject“ stand – das schwarze Subjekt. Das Metropolitan Museum in New York zeigt jetzt eine umfassende Retrospektive dieser Zeit und ihres Einflusses auf den frühen Modernismus in Europa.
Eine junge Frau am Tisch, der eine Arm ist ruhig auf ihn gelehnt, in der anderen hält sie einen Granatapfel. Die dunkle Hautfarbe ihres Halses und Gesichts ist voller Nuancen, ihr Blick zärtlich, ja vielleicht sogar mit Bewunderung auf jemanden außerhalb des Rahmens gerichtet. Die Malerin Laura Wheeler Waring, eine der wichtigsten Vertreterinnen der Harlem Renaissance, hat ihr Portrait “Girl with Pomegranat” genannt.
Vor dem Bild steht eine Frau den Tränen nah:
Als ich zur Tür hereinkam, bin ich in Tränen ausgebrochen; und dann noch als Titelbild des Katalogs… . Das ist sehr aufregend für mich. Mein Ziel war immer, dass ein breiteres Publikum diese wichtige Arbeit sieht, weil so viele Weiße, aber auch einige Schwarze stereotyp Vorstellungen von dem haben, was schwarze Künstler malen.
Das “New Black Subject”
Madeline Murphy Rabb ist die Großnichte der Malerin, das Bild hing lange in ihrem Wohnzimmer. Viele Gemälde, die in der Harlem Renaissance entstanden sind, sind später dann in akademischen Sammlungen traditionell schwarzer Colleges und Universitäten verschwunden, oder im Privatbesitz geblieben. Die großen Museen waren damals bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht an der Kunst von Afroamerikanern interessiert, erklärt Kuratorin Denise Murrell. Viele der ausgestellten Bilder seien nun zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zu sehen. Dabei seien in den 1920er und 30er Jahre Hunderte von Portraits, Straßenszenen, Fotografien und Grafiken entstanden. Die treibende Kraft hinter dieser enorm kreativen Epoche sei die Idee des „New Negro“ oder des „Modern Black Subject“ gewesen:
Es gab nur sehr wenige Bilder von Afroamerikanern, die gut gekleidet und sozial und wirtschaftlich auf dem Vormarsch waren. Diese Künstler wollten das Bild des Afroamerikaners so verändern, dass es das neue Stadtleben widerspiegelt, das in New Yorks Harlem, in der South Side von Chicago und anderswo Gestalt annahm. Dieser Moment des autonomen schwarzen Selbstausdrucks, sei es in der Kunst, der Musik oder der Literatur, war der Schlüssel zur Psyche der neuen schwarzen Künstler und Schriftsteller.
Ein junges Paar auf dem Weg zum Tanz: sie im grünen Kleid, mit übergroßen roten Handschuhen und weißen Stöckelschuhen, er mit beigem Jackett, eleganten schwarzen Schuhen und einem Hut mit Feder, im Hintergrund Gebäude der Stadt, ein gelber Hydrant auf der Seite. Diese Bild von William Henry Johnson mag stellvertretend für viele ausgestellte Bilder stehen, die das vibrierende Straßen- und Nachtleben Harlems thematisierten, aber auch den selbstbewussten Stil seiner Bewohner, den Duke Ellington, die Jazz Ästhetik nannte.
Maler wie Archibald Motley und die bereits genannte Laura Wheeler Waring reisten nach Europa und inspirierten dort Künstler wie Matisse, Munch und Picasso, sich dem schwarzen Subjekt auf eine neue, nicht stereotype Weise zu nähern.
Die Ausstellung zeigt viele Beispiele dieses kollaborativen Vorgangs. So auch in dem Portrait des schwarzen Schauspielers Louis Drenthe der holländischen Malerin Nola Hatterman: bequem, mit übereinandergeschlagenen Beinen, sitz der elegante Mann mit seinem Hut an einem Tisch und trinkt ein Bier. Seine Nichte erzählt, wie das Bild entstanden ist.
Die Geschichte besagt, dass sie ihn auf der Terrasse sitzen sah und ihn fragte: “Darf ich dich malen? Und so hat alles angefangen. Das war zu dieser Zeit sehr ungewöhnlich. Sie malte ihn, weil Schwarze damals als arme Menschen, als Sklaven usw. dargestellt wurden. Aber jetzt sieht man ihn als stolzen Mann mit Hut.
Eine bedeutsame Ausstellung
Mit mehr als 160 Exponaten ist Kuratorin Denise Murrell und ihrem Team mit „Harlem Renaissance and Transatlantic Modernism“ eine bedeutsame, längst überfällige Ausstellung für das Met gelungen. Ihre Hoffnung:
Ich hoffe, dass die Menschen in dem Maße, wie sie sich dieser Geschichte bewusst werden, erkennen, dass die schwarze Kunst oder besser die Kunst dieser schwarzen Künstler genauso ein Teil der frühen amerikanischen Kunst und der internationalen Moderne ist, wie die Kunst jedes anderen Künstlers. Ich hoffe, dass dies eine Selbstverständlichkeit wird.