„Giants“ – eine wegweisende Ausstellung schwarzer Künstler*innen am Brooklyn Museum zeigt Highlights der Dean Collection von Swizz Beatz and Alicia Keys
von Andreas Robertz
Man könnte sagen, die R&B Ikone Alicia Keys hat gerade einen New York Moment: im April prämiert ihr erstes Musical „Hell’s Kitchen“ am Broadway und dieses Wochenende eröffnet die erste Ausstellung der „Dean Collection“ im Brooklyn Museum. Die „Dean Collection“ ist nach dem Familiennamen ihres Mannes Kasseem Dean benannte. Unter dessen Künstlernamen Swizz Beatz gehört er seit Jahren zu den wichtigsten Hip-Hop Produzenten der Branche. Die „Dean Collection“ des kunstbegeisterten Ehepaars gilt vielen mittlerweile als die wichtigste private Kunstsammlung mit Werken zeitgenössischer schwarzer Künstler*innen. Aber sie ist mehr als nur eine Sammlung, denn sie versteht sich gleichzeitig auch als Enzyklopädie einer Kunsttradition, die ihre ganz eigenen Klassiker hat. Nun sind in „Giants“, Giganten, – so heißt die Ausstellung – über 100 Arbeiten aus der Sammlung ausgestellt.
Neue Künstler kennenlernen
Ein roter Teppich, eine rote Rückwand, eine rote Decke: Luftballons in allen Farben hängen unter ihr, auf dem Boden sind Bälle, Teddybären und anderes Spielzeug. An der Wand eine wilde Collage aus gemalten Kinderkörpern mit fotografierten Kindergesichtern, Kleidungsstücken, Perlen, Glitter und gemalten Blumen: Alles in Ebony Pattersons Installation „They were just hanging out you know“ erzählt von der überschäumenden Freude in der Kindheit – bis man bemerkt, dass die Körper alle Einschusslöcher haben, hinter denen die rote Farbe der Rückwand durchleuchtet. Für Kuratorin Kimberli Gant ist die Installation der, aus Jamaica stammenden Künstlerin ein gutes Beispiel für das Konzept der Sammlung.
Die Sammlung erzählt Geschichten, die so viele Menschen nicht kennen, oder die bestimmte Communities kennen, aber die breite Öffentlichkeit nicht. Das Brooklyn Museum versucht immer, die Vorstellungen des Publikums über die Kunstgeschichte und die visuelle Darstellung der Welt zu erweitern.
Ein kleiner schwarzer Junge berührt die ausgestreckte Hand von Mohamed Ali in einem Boxring in Florida, ein Vater zeigt seinem Sohn, wie man betet, beide im Gegenlicht eines Fensters, ein schwarzer Mann schaut aus einem Kanalloch in Harlem, die Kamera ist auf Augenhöhe: Der Fotograf Gordon Parks gehört mit seinen schwarz-weiß Fotografien aus den fünfziger- und sechziger Jahren zu den Pionieren schwarzer Fotografie in den USA.
In unmittelbarer Nähe Aufnahmen eines ganz anderen New Yorks: Der Modefotograf Jamel Shabazz dokumentiert das schwarze Leben der 80er Jahre. Mit Graffiti übermalte U-Bahnzüge und einem Straßenleben voller selbstbewusster Afro-Amerikaner, die ihren eigenen coolen Stil entwickelten.
Wir wollen, dass die Leute neugierig sind und Namen mitnehmen, die sie vielleicht noch nicht kannten, und die Kunstwelt wirklich erweitern, denn ich glaube, wir sind es gewohnt, immer wieder dieselben Künstler oder bestimmte Werke von bestimmten Künstlern zu sehen.
Die Schulter von Giganten
Die Ausstellung ist thematisch und chronologisch organisiert, wobei das Thema der „Giganten“ variiert wird. Zum Beispiel kann man unter dem Motto „Auf den Schultern von Giganten stehen“ weitere Pioniere sehen – neben Gordon Parks auch Jean-Michel Basquiat, Ernie Barnes oder die südafrikanische Künstlerin Esther Mahlangu. Im Kapitel „Gespräche unter Giganten“ ist internationale Kunst ausgestellt, die sich mit Macht, Rassismus, Sexualität und Gendernormen auseinandersetzt. Und in der Sektion „In Gegenwart von Giganten“ gibt es großformatige Arbeiten, die in den letzten Jahren dazugekommen sind, einige von ihnen im wahrsten Sinne des Wortes gigantisch. Zum Beispiel die Skulptur „Big Wheel I“ des aus Mississippi stammenden Künstlers Arthur Jafa: ein 2 Meter großes LKW Rad, das in einem Korsett aus dicken Ketten eingespannt ist. Es hängt in einem enormen Holzrahmen, der wie ein Galgen wirkt.
Oder eine Arbeit des Malers Kehinde Wiley, der gern klassische Werke der Kunstgeschichte neu inszeniert. Hier dient ihm eine Skulptur von Auguste Clésinger als Vorlage. Eine nackte Frau windet sich darauf nach einem Schlangenbiss auf dem Bett. Das acht Meter breite Gemälde von Wiley zeigt allerdings einen jungen schwarzen Mann mit verdrehtem Körper auf dem Bett, bekleidet mit weißen Turnschuhen, tiefhängender Jeans, weißer Unterwäsche, rotem T-Shirt, grüner Trainingsjacke und roter Kappe. Der Hintergrund ist voller Ornamente und Ausschmückungen, der Gesichtsausdruck zwischen Verletzlichkeit, Erstaunen und Schmerz.
Die Freundschaft zu Künstlern
Das besondere der „Dean Collection“ ist der persönliche Kontakt von Swizz Beatzund Alicia Keys zu den Künstlerinnen und Künstlern, erklärt Kuratorin Kimberli Gant:
Sie haben mir sehr deutlich gemacht, dass es hier nicht um eine Transaktion zwischen einem Sammler und einem Künstler geht. Hier geht es um Familie. Es geht um Freundschaft. Es geht also um die Kraft und die Langlebigkeit dieser Beziehung und um die Fähigkeit, sich mitzuteilen. Sie sind leidenschaftliche Fürsprecher für Künstler, weil sie Ähnlichkeiten zur Musikindustrie sehen.
„Giants“ ist eine Ausstellung, die überrascht und begeistert, Sehgewohnheiten in Frage stellt und der breiten Öffentlichkeit eine Generation von schwarzen Künstler*innen zeigt, auf die man in den nächsten Jahren unbedingt achten sollte.