Afrika Fashion zeigt so viel mehr als Mode “Made in Afrika“
von Andreas Robertz
Angriff ist die beste Verteidigung mag sich das Victoria Albert Museum in London letzten Sommer gedacht haben, als es, inmitten der explosiven Debatte um De-Kolonisierung der britischen Museen und Restitution erbeuteter Kunst, die erste Ausstellung ihrer Art organisierte, die sich positiv mit afrikanischer Mode und deren Machern beschäftigte. „Africa Fashion“ lautete der einfache Titel der Ausstellung. Diese Woche ist die Wanderausstellung nun im Brooklyn Museum als erstes Reiseziel in den USA angekommen. Während die Londoner Ausstellung vor allem die historischen Aspekte in den Vordergrund stellte, haben die Ausstellungsmacher in New York auf Kontakt mit der riesigen afrikanischen Diaspora in Brooklyn gesetzt und verschiedene junge Modemacher, Modefotografen und Designer in die Ausstellung eingeladen.
Wir haben uns die ganze Präsentation genau angesehen und überlegt, wie wir zusätzliche Inhalte durch Künstler und Designer einbinden und neue Ideen entwickeln können. Und wir wollten unsere Community miteinbeziehen.
Außerdem war es für Kuratorin Ernestine White-Mifetu wichtig, die Entwicklung der afrikanischen Modebranche zu zeigen, vom postkolonialen Befreiungsschlag, der Renaissance afrikanischer Kultur, bis hin zu einer milliardenschweren globalen Industrie.
Ein Labyrinth der Schönheit
Mehr als180 Exponate mit Looks von über 40 Designern aus 20 afrikanischen Ländern und mittendrin Auslagen des in der nigerianischen Hauptstadt Lagos ansässigen Luxus-Konzeptstores „Alára“: Schnell gibt man in der Ausstellung auf, sich orientieren zu wollen. Viele der Modelle stehen in einem Labyrinth aus Glasröhren: Die Besucher bewundern deshalb erst die wunderschöne Rückansicht eines Kleides, bevor sie sehr viel später die Vorderseite sehen und dabei Schritt für Schritt entdecken, wie sich Muster von Stoffen, Silhouetten und Themen wiederholen. Denn im Zentrum der Ausstellung stehen immer wieder die unglaublich detaillierten und atemberaubend schönen Stoffe, die meistens in kleinen Webereien in Mauretanien, Niger, Ghana, Nigeria, Mali oder in Südafrika hergestellt werden.
Mode erzählt Geschichten
Einer der jungen, zur Schau eingeladenen Designer ist Papa Oppong. Mit einem traditionellen Hochzeitskleid verbindet er Haut Couture Motive wie die vergrößerte Hüfte und den höher gesetzten Saum mit gestreiften, traditionell gewebten Stoffen in Indigo und Weiß. Aus der Schleppe ist ein Chiffonschal geworden. Für Papa Oppong ist wichtig, dass seine Stoffe nachhaltig hergestellt werden, damit sie ihre authentischen Wurzeln nicht verlieren.
Ich stamme aus einer Familie, in der es viele Geschichtenerzähler gibt. Meine Großmutter hat uns immer Geschichten erzählt. Als ich aufwuchs, sagte ich jedes Mal, wenn ich einschlafen wollte: “Mama, kannst du mir eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen?“ Das Erzählen von Geschichten ist ein großer Teil von mir. Und als ich mich entschied, Designer zu werden, wollte ich immer Geschichten von zu Hause aus Ghana erzählen.
Für Kuratorin Ernestine White-Mifetu ist der junge Ghanaer ein Beispiel, wie afrikanische Modedesigner Tradition, Authentizität und modernes Design zusammenzubringen:
Papa trifft damit wirklich den Nagel auf den Kopf, denn allein schon der Prozess der Herstellung der Stoffe und die Eigenarten der Handwerker, die für diesen Prozess erforderlich sind, ist voller Geschichten. Und dann sieht sie der Designer und, indem er seine Vision formuliert, erzählt er wiederum seine Geschichte. Stoffe und Gewebe sind voller Geschichten, nicht nur aus der Gegenwart, sondern auch der Vergangenheit.
Schönheit ist Widerstand
Die Ausstellung zeigt außerdem Plattencover, Filme, Buchcover und Modezeitschriften, die unterstreichen, dass die Darstellung von Schönheit eine Form der Rebellion sein kann. Neben historischen Fotografien und häuslichen Portraits der malischen Fotografen Seydou Keïta und Malick Sidibé, belegen das die afrofuturistischen digitalen Installationen des südafrikanischen Künstlers und Fotografen Trevor Stuurman:
Der Kampf ist ein großer Teil des Lebens. Ich glaube, wenn man zwischen dem Kampf Momente der Schönheit findet und diese dokumentieren kann, dann ist das ein großer Teil des Widerstands. Ich glaube die Existenz in der Schönheit ist Widerstand.
Der Kampf ist ein großer Teil des Lebens. Ich glaube, wenn man zwischen dem Kampf Momente der Schönheit findet und diese dokumentieren kann, dann ist das ein großer Teil des Widerstands. Ich glaube die Existenz in der Schönheit ist Widerstand.
„Africa Fashion“ ist eine ungewöhnlich vielseitige Ausstellung, an deren Objekten und Designs man sich gar nicht satt sehen kann. Sie erzählt vom untrennbaren Miteinander von Mode und Selbstwert, nicht nur für Individuen, sondern für Nationen und letztlich einem ganzen Kontinent. Dabei gehe es den Designern schon lange nicht mehr um kulturelle Repräsentation, meint Kuratorin White-Mifetu, sondern sie verstünden sich als Teil einer globalen Industrie „Made in Africa“.
Die Ausstellung Africa Fashion ist noch bis zum 22. Oktober im Brooklyn Museum zu sehen.