Jaune Quick-To-See Smith am Whitney Museum

Die erste Solo Ausstellung einer indigenen Künstler*in in New York City

von Andreas Robertz

Jaune Quick-To-See Smith am Whitney Museum
Jaune Quick-to-See Smith, Indian Map,
1992

Im Januar schufen das US amerikanische Nachrichtenmagazin ProPublica und der Fernsehsender NBC das „Repatriation Project“ – eine Initiative für die Rückgabe von menschlichen Überresten amerikanischer Ureinwohner an ihre Nachfahren, die mehr als 650 First Nation Communities, die heute in den USA und Kanada leben. Nach ihren Recherchen befanden sich mehr als 110.000 Überreste in Museen, Universitäten und Behörden gelagert. Ähnlich ergeht es indigenen Artefakten, die oft in Museumsarchiven verschwinden, ohne je wieder zurückgegeben zu werden. Die Geschichte der amerikanischen Museen mit Objekten der amerikanischen Ureinwohner ist bis heute von Rassismus und Ignoranz geprägt. Das gilt auch für Museen für moderne Kunst. Nun hat das Whitney Museum in New York das Lebenswerk der Künstlerin Jaune Quick-To-See Smith mit einer eine Ausstellung mit dem Titel „Memory Map“ gewürdigt. Es ist das erste Mal, dass eine indigene Künstlerin eine eigene Retrospektive an einem Kunstmuseum in New York hat.


Originalbeitrag

Wir waren immer am Rande der Gesellschaft

Jaune Quick-To-See Smith wurde 1940 als Bürgerin der Confederated Salish and Kootenai Nation in Montana geboren. Schon als kleines Kind wusste sie, dass sie Künstlerin werden wollte.

Für viele von uns ist es einfach etwas, mit dem wir geboren werden, ob wir nun die Gabe haben, Musik zu machen oder Theater zu spielen. Ich habe das bei meinen eigenen Kindern und Enkeln bemerkt, als sie noch Babys waren.

Aber als sie in den 60er Jahren Kunst studieren wollte, winkten ihre Lehrer ab. Es sei schon schwierig genug als Künstlerin zu überleben, aber für eine indigene Frau praktisch unmöglich, erzählt sie. Doch trotz aller Hürdenhabesie Kunstpädagogik und später dann Kunst in Albuquerque, New Mexico, studiert.

Jaune Quick-to-See Smith, War is Heck,
2002.

Nun, wir waren immer am Rande der Gesellschaft. Selbst wenn wir hier in New York eine Ausstellung hatten, wurde sie nicht besprochen. So habe ich mein Leben gelebt, so wie viele meiner Freunde. Wir kannten uns alle, aber wir standen immer am Rande der Gesellschaft. Es war eine verschlossene Tür.

Aber persönliche Verbindungen nach Europa und insbesondere nach Deutschland eröffneten Möglichkeiten, ihre Arbeiten zu zeigen und zu verkaufen.

Jaune Quick-To-See Smith am Whitney Museum
Jaune Quick-to-See Smith, Survival Suite:
Wisdom/Knowledge, 1996
Jaune Quick-To-See Smith am Whitney Museum
Jaune Quick-to-See Smith, Survival Suite:
Humor, 1996

In den 1970er und 1980er Jahren kamen Privatsammlerinnen und verschiedene Universitäten in Deutschland hierher und brachten unsere Kunst nach Europa. Ich habe in all den Jahren eine ganze Menge Kunst in Deutschland verkauft.

Amerikanische Geschichte beginnt nicht mit Kolumbus

Als 1992 die Entdeckung Amerikas durch Christopher Kolumbus gefeiert wurde, organisierte sie eine kritischeWanderausstellung, mit der sie auf einem Schlag bekannt wurde. Sie nannte sie The Submuloc Show.

Der damalige Präsident wollte keine Anti-Kolumbus-Feiern und entschied, dass es kein Geld für irgendwelche Zuschüsse geben würde. Ich beantragte trotzdem einen Zuschuss über eine einheimische Organisation und bat um 24.000 und bekam 12.000. Ich stellte eine Ausstellung mit 34 indigenen Künstlern zusammen und ging damit auf Reisen. Die Leute sprechen immer noch über diese Ausstellung, weil ich das Wort Kolumbus einfach umgedreht habe.

Jaune Quick-to-See Smith, The Vanishing
American, 1994

Ihr Aktivismus richtete sich gegen die offizielle Meinung, dass die amerikanische Geschichte im Grunde erst mit der Ankunft von Kolumbus und den weißen Siedlern aus Europa begann – und gegen viele, in der amerikanischen Öffentlichkeit verbreitete, falsche Mythen, zum Beispiel, dass das Land, das die Siedler vorgefunden hatten, leer und unbewohnt gewesen oder die Kultur der Menschen in den Reservaten vom Untergang bedroht sei und sie ohne die Hilfe der Regierung gar nicht überleben könnten.

Viele der sogenannten Maps von Jaune Quick-To-See Smith entstanden in dieser Zeit: großformatige Bilder, in denen sie die US-amerikanische Landkarte mit verschieden Motiven kombiniert. Zum Beispiel eine, auf der die Farbe alle schnurgeraden Ländergrenzen bis zur Unkenntlichkeit verwischt, Symbole der verschiedenen Stämme Grenzen markieren oder augenzwinkernd den Schriftzug „India“ tragen.

Alle sagen immer, sie ist so mürrisch. Sie erzählt uns von den Dingen, die in der Gesellschaft falsch laufen und wie schlecht wir die Indianer behandelt haben. Und ich finde, sie sehen den Humor gar nicht.

In der Ausstellung Memory Map kann man nun 150 Arbeiten aus mehr als 60 Jahren ihres Schaffens auf drei Ebenen des neuen Whitney Museums sehen, von ersten Bildern, Grafiken und Zeichnungen bis hin zu Skulpturen, Collagen und Videoarbeiten.

Jaune Quick-To-See Smith am Whitney Museum
Jaune Quick-to-See Smith, Genesis,
1993

Die Tatsache, dass ich diese Ausstellung hier habe, bedeutet viel. Es geht dabei nicht nur um mich. Es repräsentiert eine große Gruppe von marginalisierten Künstlern, die das genau beobachten. Ich sehe eine Veränderung bei den Museen. Sie haben begonnen, indigene Kunst zu sammeln. Das haben sie vorher nicht getan. Jetzt schauen sie im ganzen Land nach indigenen Künstlern

Mit Jaune Quick-To-See Smith Ausstellung Memory Map hat das Whitney Museum of American Art nicht nur eine wichtige, längst überfällige Ausstellung ausgerichtet: Es hat damit hoffentlich ein neues Kapitel in seiner Geschichte aufgeschlagen, mit dem es im Grunde erst jetzt seinen Namen wirklich verdient.