Künstler gegen Künstliche Intelligenz

Wie die US Kunstszene um ihre Originale bangt

von Andreas Robertz

Künstler gegen Künstliche Intelligenz
AI generated

Die Diskussion um die rasante Entwicklung von Chatboxes und Software, die aus Texten Bilder machen können, ist im vollen Gange. Erst vor wenigen Tagen haben mehr als 1000 Experten, Forscher und Befürworter künstlicher Intelligenz sich der Forderung angeschlossen, die Entwicklung “gigantischer” KIs für mindestens sechs Monate zu stoppen. Man kann natürlich mit gutem Grund an den hehren Absichten eines Elon Musk oder Thomas Cook zweifeln, dennoch klingt es so wie beim Zauberlehrling, der die gerufenen Geister nicht mehr los wird. Immer mehr Wissenschaftler und Politiker schließen sich dieser Kritik an. Dem gegenüber stehen all die, die das Potential dieser Modelle entdecken, fasziniert sind und sich durch diese Unkenrufe nicht begrenzen lassen wollen. Eine Berufsgruppe, die jetzt schon in dramatischer Weise unter Bilder generierenden Programmen wie „Stability AI“ oder „Midjourney“ leiden, sind Photographen, Grafiker und bildende Künstler.


Originalbeitrag

Was unterscheidet ein Bild von Van Gogh von einem Monet? Oder einen Jackson Pollock von einem Picasso? Auch Bilder generierende Programme mit künstlicher Intelligenz, kurz KI, müssen das erst mal lernen und das tun sie in riesigen digitalen Archiven, sogenannten Trainingsbibliotheken, wo sie mit Milliarden von Bildern aus dem Internet gefüttert werden. Danach haben sie dann gelernt, jedes gewünschte Motiv in jedem gewünschten Stil zu generieren, zum Beispiel das Portrait eines Goldfischs im Stil eines Picasso. Und da liegt genau der Haken für jede Künstler*in, die ihre Arbeit ins Internet stellt: Sie kann ohne Erlaubnis von den Trainingsbibliotheken hochgeladen werden, um Programme zu trainieren, die ihren Stil auf Anfrage haargenau kopieren.

Ein Fall von Diebstahl

Wenn Sie von unserer künstlerischen Arbeit sprechen, wenn Sie von Künstlern sprechen, die ein Leben lang eine visuelle Sprache und eine konzeptionelle Architektur perfektioniert haben, die unsere Arbeit prägen, was bedeutet es dann, wenn uns das ohne unsere Zustimmung und ohne unsere Erlaubnis einfach so weggenommen wird?

Nancy Baker Cahill, kurz NBC, ist Medienkünstlerin aus Los Angeles und hat, wie viele andere Künstler*innen, das Gefühl, dass sie die Kontrolle über ihre eigene Arbeit zu verlieren droht. Denn um in der Kunstwelt präsent zu sein, muss sie ihre Arbeit online stellen, was bedeutet, dass sie gestohlen werden kann. Tut sie es nicht, können Museen, Galerien und andere Auftraggeber sie nicht finden.

Es brechen die Studenten weg

Der Verlust von Einnahmen ist ein Teil der Bedrohung, der emotional traumatisierende Effekt, wenn der persönliche Stil, das geistige Eigentum oder die ganze  künstlerische Identität einfach gestohlen wird, ein ganz anderer, der, wie Ben Zhao, Professor für Informatik der Universität Chicago, erklärt, besonders auf junge Künstler*innen eine verheerende Wirkung  hat.

Das hat großen Einfluss auf zukünftige Künstler. Ich habe mit vielen gesprochen, die online Kunst unterrichten oder an Kunstakademien arbeiten. Sie alle sehen denselben Effekt, nämlich dass junge Leute, die gerade versuchen, Kunst zu lernen, den Unterricht extrem schnell abbrechen. Sie hören einfach auf, weil sie keine Zukunft sehen. Warum sollte ich Jahre, Jahrzehnte, damit verbringen, etwas zu lernen, das so hart zu lernen ist und mit dem es so schwierig ist, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn mir meine Arbeit in wenigen Minuten gestohlen werden kann?

Deswegen haben er und sein Team an der Chicagoer Universität Glaze entwickelt, eine Applikation für Windows und Apple, die es Künstlern erlaubt, ihre Arbeit vor dem Zugriff durch KIs zu schützen. Das Programm verschleiert den Stil eines Bildes und kann so nicht mehr adäquat von ihnen gelesen werden. Die Software ist umsonst und hat immensen Anklang in der Community gefunden – für viele ein kleiner Hoffnungsschimmer.

Künstler gegen Künstliche Intelligenz

Andere Künstler, wie auch Museen und Sammlungen, haben sich entschlossen, Sammelklagen wegen Verstöße gegen das Urheberrecht durch die Betreiber der Trainingsbibliotheken, mit denen KIs trainiert werden, zu führen. Oder sie versuchen mit Hilfe der Internetplattform HaveIBeenTrained, die die in Berlin lebenden Künstler Matt Dryhust und Holly Herndon, entwickelt haben, den Bibliotheken das Recht auf ihre Bilder zu verweigern.

Für NBC, die Medienkünstlerin aus LA, ist der Umgang mit KIs aber auch ein persönliches Dilemma. Denn sie arbeitet selbst seit Jahren mit KI-gesteuerter Software. Nun stellt sie ihre Faszination mit der rasanten Entwicklung und Leistungsfähigkeit dieser Modelle zunehmend in Frage:

Dies ist die Taktik dieser riesigen Unternehmen, die unser Leben so spürbar beherrschen. Diese Programme sind dazu da, uns abhängig zu machen. Dieser ganze Fiebertraum, die Schnelligkeit, die ganze Aufregung, die damit verbunden ist, alles dient nur diesem Zweck. Wir müssen das kritisch sehen und darüber nachdenken, bevor wir uns blindlings auf das Neueste einlassen, nur weil es das Neueste ist.

Und dann fragt sie sich, aus welchem Grund diese ganze Industrie, die gerade um KIs entsteht, damit aufhören sollte, noch mehr Geld damit verdienen zu wollen? Eine entscheidende Frage an Politik und Industrie. Es wird schwierig werden, diese Entwicklung aufzuhalten.