Vaginal Davis und Inuuteq Storch am MoMA PS1 in New York
von Andreas Robertz

Vaginal Davis, die schrille und laute queere Punk Ikone aus L.A., die seit 2005 in Berlin lebt, und Inuuteq Storch (Inutek Stork), der eher stille, freundliche Fotograf aus Sisimiut, einer knapp 6000 Seelen Stadt im Südwesten Grönlands: Unterschiedlicher könnten zwei Künstler nicht sein. Das kann man schon an den Titeln ihrer Ausstellung sehen, die jetzt gemeinsam am MoMA PS1 eröffnet wurden: Vaginal Davis’ “Magnificant Product”, die im Sommer im Gropiusbau zu sehen war, und Inuutek Storchs “Soon Will Summer Be Over”, seine erste Solo Ausstellung in den USA. Inuuteq Storch wurde international bekannt, als er als erster grönländischer Künstler den dänischen Pavillon in der Venedig Biennale 2024 ausrichtete. Beide Ausstellungen passen allerdings gut in das Portfolio des PS1, meint unser Kritiker Andreas Robertz, denn der MoMA Ableger in dem alten Schulhaus in Queens hat sich zeitgenössischen Künstlern verschrieben, die sich mit “sozialen, kulturellen und politischen Themen unserer Zeit auseinandersetzen”. Ein zunehmend schwieriges Terrain in den USA dieser Tage, möchte man meinen.

Grönland, karge Berge inmitten der endlosen Weite, Rentiere und Eisbären, menschenleer und schön in seiner Klarheit. Die romantische Idee, dass ein Land leer und unbewohnt ist und nur darauf wartet, von Pionieren bewohnbar und zum Blühen gebracht zu werden, ist ein immer währendes Leitmotiv kolonialer Träume. Inuuteq Storchs Fotografien zeigen dagegen ein anderes Grönland – in dem Menschen leben, sich verlieben, und ihren Alltag leben.

You can call me Inu.
Du darfst mich Inu nennen, sagt er grinsend zu mir, als ich Probleme mit der Aussprache habe,
Ich habe mit der Fotografie angefangen, als mich ein Freund mit 18 oder 19 überredete, seine Kamera zu kaufen. Dann habe ich meinen Vater überredet, sie zu kaufen.
Eine seitlich fotografierte Fassade eines aus grauem Beton gefertigten Häuserblocks. Alles wirkt so kalt, als könnte man die Temperatur spüren. Auf der Wand steht Blok 7, ein Hinweis, dass das Haus aus dänischer Hand stammt.
Ich bin mit diesen Gebäuden aufgewachsen. Ich habe selbst in einem dieser Gebäude gewohnt. Und als Kind war das für mich das Beste, denn diese Gebäude sind voller Leben.
Das Bild daneben zeigt eine Bucht mit einem Berg dahinter, im Vordergrund fünf weggeworfene Bierflaschen. Zwei helle Lichtflecken in der Landschaft verraten, dass wir aus einem Raum herausschauen, die Lichter die sich spiegelnden Lampen. Das könnte der Blick aus dem Gebäude sein.
That might be the view from the building.
Inuuteq Storch hat kein Interesse als politischer Künstler gesehen zu werden. Und dennoch handeln seine Bilder von einer Welt zwischen Klimakrise, politischer Unabhängigkeit und neuen Ansprüchen der Weltmächte.
Wenn ich mich mit Kunst beschäftige, bin ich normalerweise nicht politisch. Meine Kunst ist die alltägliche Fotografie, und ich möchte, dass das auch so bleibt. In Grönland wird am meisten über unsere Geschichte diskutiert. Und ich bin Teil dieser Diskussion.


Ganz anders die Kunst von Vaginal Davis aus Los Angeles, die in den unteren Stockwerken des PS1 zu sehen ist: laut, schrill, konfrontativ und innovativ. Eine der zentralen Installationen ist die stilisierte Version ihres eigenen Jugend-Schlafzimmers: ein Raum ganz in Rosa mit Titelbildern von Magazin Cover und auf einer Wäscheleine aufgereihte Fotografien der schwarzen Bürgerrechtsikone Angela Davis, die Vaginal Davis eigenes Pseudonym inspiriert hat. In einem sich drehenden Kinderbett liegt ein grosser, mit Tüll umhüllter Phallus.

Die Wanderausstellung aus Stockholm war gerade in Berlin zu sehen – nun wird sie in den USA gezeigt. Kurator Hendrik Folkerts:
Berlin war eine Heimkehr. New York ist eine weitere Heimkehr. Das liegt daran, dass Frau Davis Amerikanerin ist. Es gibt diese Art von Los-Angeles-Geschichte und diese Art von Berlin-Geschichte.
Und es gibt New York Momente. Zum Beispiel ein Video mit einer Lesung in einer Buchhandlung im Village der 1980er Jahre.
Wenn es nach dem Willen der Trump-Regierung ginge, würde Vaginal Davis bereits jetzt als Terroristin eingestuft, weil sie aus ihrer Sicht die Politik propagiert, die aus konservativen Jugendlichen potentielle Gewalttätige macht, die – in der Logik der MAGA-Bewegung – dann Helden wie Charlie Kirk ermorden.

Leben und Werk von Davis sind eine Geschichte des Überlebens unter sehr schwierigen Umständen, sei es in den 1980er oder 1990er Jahren oder heute, wo die Rechte von queeren Menschen erneut unter Beschuss stehen. Aber ihre Geschichte ist auch eine der Freude und Lebhaftigkeit und des Überlebens durch Humor und durch eine Kunst, die Menschen dazu einlädt, über Dinge zu sprechen. Sie schreibt ihnen nicht vor, wie Sie denken sollen, sondern, dass sie denken sollen.


Und das ist gefährlich. Dass die Ausstellung überhaupt stattfindet, stand für das PS1 aber nie in Frage, sagt Kurator Hendrik Folkerts. Das würde auch nicht zu New York und dem selbstbewussten Widerstand seiner Museen passen. Die Ausstellung sei deshalb auch eine Anleitung zum Widerstand:
Die Zukunft ist für Viele schwer vorstellbar, besonders für junge Menschen. Was sie in dieser Ausstellung finden können, sind Werkzeuge und Strategien für Widerstand und Überleben. Der Schlüssel zu all dem, sei es der Kampf gegen autoritäre Tendenzen, sei es Faschismus, liegt im Aufbau einer eigenen Community.
Kunst in schwierigen Zeiten
Die Arbeiten von Vaginal Davis und Inuuteq Storch stehen für Welten, die gerade massiv in Frage gestellt werden. Und ihr Rezept ist dasselbe: mache Kunst mit dem, was du vorfindest, sei kritisch, bilde Gemeinschaften und verliere den Humor nicht. Inuuteq übrigens könnte sich Vaginal Davis auch gut in Grönland vorstellen. Gehört das Land doch – was Selbstbestimmungsrechte von Trans- und Homosexuellen angeht – zu einem der fortschrittlichsten der Welt.