Theater und KI


“McNeal” – Ayad Akhtars Stück über Künstliche Intelligenz und Literatur mit einer Traumrolle für Robert Downey Jr.

von Andreas Robertz

Robert Downey Jr. in McNeal
Robert Downey Jr., Credit to Matthew Murphy and Evan Zimmerman


Literatur und Künstliche Intelligenz: ein wichtiges Thema, das auch auf der diesjährigen Buchmesse viel diskutiert wurde. Es geht dabei nicht nur um Urheberrechte oder die Frage nach dem geistigen Eigentum, sondern vor allem auch um die ethische Dimension beim Verfassen von Texten und wie sich das Selbstverständnis von Literatur durch die neue Technologie verändern mag. Der US-amerikanische Dramatiker und Schriftsteller Ayad Akhtar, der für sein Drama “Disgraced”- auf Deutsch “Geächtet” – 2013 den Pulitzerpreis gewann, hat ein neues Stück zu diesem Thema mit dem Titel “McNeal” vorgelegt. Uraufführung war am Lincoln Center in New York – und zwar mit Robert Downey Jr. in der Hauptrolle, der dieses Jahr den Oscar als bester Nebendarsteller in Christopher Nolans “Oppenheimer” gewonnen hat. 



Auf einem meterhohen Smartphone, das aufrecht in der Mitte der Bühne zu schweben scheint, liest man folgende Befehle:Beginn neues Projekt!Lade King Lear 1. Akt, 4. Szene, König Ödipus von Sophokles, psychiatrische Abhandlungen zum Borderline Syndrom, ausgesuchte Auszüge aus Hedda Gabler und Kafkas “Brief an den Vater” hoch und überarbeite diese Texte im Stil von Jacob McNeal!” 

Dann öffnet sich die Bühne und auf einer, die ganze Bühnenbreite einnehmenden Leinwand sehen wir, wie Bücher und Textseiten rasend schnell markiert und gespeichert werden und ein Computerprogramm Verbindungen zwischen Wörtern und Ausdrücken herstellt und damit einen neuen Text baut. Oder ist es das Stück, das man gerade sieht?

In Ayad Akhtars “McNeal” weiß man nie so genau, ob das, was im Computer passiert, Teil der Geschichte ist, oder die Geschichte selbst. Inzwischen ist aus dem Bühnengraben ein medizinisches Untersuchungzimmer hochgefahren, in dem Robert Downey Jr. alias McNeal von einer Ärztin untersucht wird. McNeal ist ein erfolgreicher amerikanischer Schriftsteller, der unter drei Dingen leidet: Alkoholismus, Leberzirrhose im Endstadium – und dass er bisher den Nobelpreis für Literatur nicht verliehen bekommen hat. Mal abgesehen von einem ausgeprägten Narzissmus, gepaart mit Selbstmitleid und Eitelkeit sowie einer guten Portion Frauenfeindlichkeit und Rassismus. Kurz: ein wirklich widerlicher Mensch. 

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The cast of McNeal, Credit to Matthew Murphy and Evan Zimmerman

Dass man trotzdem über ihn und vor allem mit ihm lacht, liegt an Robert Downey Jr., der durch seine vielen “Ironman” Filme genug Übung darin hat, aus einem fiesen, aber brillanten Typen eine liebenswerte Figur zu machen. Und Ayad Akhtars Dialoge scheinen wie auf ihn zugeschnitten zu sein: Er redet pausenlos, als wäre er allein im Raum und alle anderen –  die Ärztin, seine Agentin, zwei Journalistinnen der New York Times und sein Sohn – sind allenfalls Stichwortgeber seines genialen Innenlebens. Herrlich, wenn er plötzlich sein Chatbox Programm beschimpft, weil es nicht vorhersagen kann, ob er den diesjährigen Nobelpreis gewinnt. Im Stück gewinnt er ihn und in seiner Preisrede spricht er über Bestseller, die von Künstlicher Intelligenz geschrieben wurden, und von der erschreckenden Genauigkeit, mit der diese Programme bereits heute in der Lage sind, unser Leben zu definieren und somit auch uns. Allein der Tod, postuliert McNeal, sei jenseits ihrer Auffassungsgabe.

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Die Bühne erinnert in ihrer schicken Leere an einen Apple Store: Alle Oberflächen scheinen aus einem sanft leuchtenden, hellgrünen Material wie dem einer IPhone-Hülle zu bestehen, Möbel erscheinen und verschwinden und die Projektionen der visualisierten Computervorgänge könnten direkt aus einer Museumsausstellung über digitale Kunst stammen. Doch trotz dieser tollen Ästhetik, der guten Regie von Bartlett Sher und einem herausragenden Robert Downey Jr. fehlt dem Stück eine klare Richtung. Als wäre der Autor vom Thema so begeistert gewesen, dass er darüber die Dramaturgie, die hinter einer guten Geschichte steckt, vergessen hat. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Literatur und Künstliche Intelligenz fehlt ebenso wie das familiäre Drama, das nur für einen Moment aufblitzt: Wenn sein entfremdeter Sohn McNeal vorwirft, das Manuskript seiner toten Mutter im neuen Roman benutzt zu haben. Auch eine andere Spur endet abrupt: McNeal weigert sich, bei seiner Agentin eine Vertragsklausel zu unterschreiben, die sich direkt auf die Nutzung von Künstlicher Intelligenz bezieht. Doch wer würde bei einem frisch gebackenen Nobelpreisgewinner auf so etwas schon bestehen? Am Ende stürzt sich McNeal aus einem Fenster – und steht plötzlich verwirrt und achselzuckend im Publikum. Ist das nun McNeal, der Schauspieler Robert Downey Jr. oder eine Erfindung der Künstlichen Intelligenz? 

In einem Interview spricht Ayad Akhtar von seinem Stück als eine “Meditation über das Thema Künstliche Intelligenz”. Es bleibt die interessante Frage, ob das Stück von ihm selbst oder nur in seinem Stile geschrieben wurde – eine Verunsicherung, die Ayad Akhtar durchaus gewollt haben mag.

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