Ausstellung über NS Raubkunst am Jewish Museum in New York
von Andreas Robertz
Das jüdische Museum in New York eröffnet heute : „Afterlives: Recovering the Lost Stories of Looted Art”, eine Ausstellung zum Thema Raubkunst während des NS-Regimes, mit mehr als 50 Kunstwerken und über 80 zeremoniellen Gegenständen des jüdischen Lebens, darunter auch Bilder von Picasso, Marc, Matisse und Chagall. Der Augenmerk der Ausstellung liegt auf der Geschichte der Objekte selbst, von Beschlagnahmung und Transport bis zu ihrer oft rein zufälligen Wiederentdeckung und Rückgabe
Zur Biographie von NS Raubkunst
Ein Tag im Jahr 1940: Die Nazis stehlenaus dem Tresor des Kunsthändlers Paul Rosenberg in Bordeaux zwei Gemälde von Henri Matisse. Sie werden nach Paris ins Louvre, dann in die Galerie Jeu de Paume gebracht, die als Lager für so genannte „entartete Kunst“ umfunktioniert wurde. Herrmann Goering gefallen sie und sie kommen in seinen Privatbesitz. Nach dem Krieg gehen die Bilder zurück an den Kunsthändler Rosenberg. Er verkauft die zwei Matisse-Werke und sie wandern auf getrennten Wegen fortan durch verschiedene Sammlerhände bis sie 2007 schließlich im Art Institute Chicago wiedervereinigt werden. In der aktuellen Ausstellung des New Yorker Jüdischen Museums sind sie nun zum ersten Mal seit 1940 wieder zusammen zu sehen.
Für Kuratorin Darsie Alexander ist ihre Geschichte exemplarisch für die oft seltsamen Wege, wie Raubkunst die schreckliche Zeit des Nazi-Regimes in Deutschland überlebt habt.
Darsie Alexander: „Eine der schwierigen Herausforderungen die Ausstellung zusammenzustellen, war, dass es so viele unterschiedliche Gründe gab, warum Kunst geraubt wurde. Arbeiten galten als entartet, oder sie waren besonders wertvoll und für Hitlers Museum gedacht, oder sie versprachen einen hohen Preis auf dem Kunstmarkt. Aber der häufigste Grund ist, dass der Künstler, der Sammler oder der Kontext jüdisch waren.“
Aussergewöhnlich schöne Bilder
Für die Ausstellung sind außergewöhnlich schöne Bilder zusammengekommen: die blauen Pferde von Franz Marc, einen lebensgroßen, kraftvollen Männerkörper beim Baden von Paul Cézanne. Landschaften von Max Pechstein. Und ein Bild von Pablo Picasso, in der drei abstrakte Formen vor einer blutroten Wand auf etwas zu warten scheinen. An den Wänden finden sich jeweils Hintergrundtexte, die skizzenartig die Geschichte ihrer Rettung erzählen.
Darsie Alexander: „Wir wollten den Schwerpunkt auf die Wiederherstellung legen und nicht auf das Plündern. Wir wollten das Gefühl vermitteln, dass etwas daraus gelernt wurde. Und ja, wir wollten diese wunderschönen Arbeiten der Öffentlichkeit präsentieren.“
Auszüge aus Aufzeichnungen von Hannah Arendt werden vorgelesen. Die Philosophin hatte für die Organisation „Jewish Cultural Reconstruction“ intensiv nach geraubten Objekten gesucht.
Kunst zwischen Gedenken und Bewunderung
Und doch kann man sich an den vielen geretteten Bildern nicht wirklich erfreuen, denn es liegt eine toternste, bedrückende Atmosphäre über der gesamten Ausstellung. Zum einen, weil die Bilder unter anderem mit Schwarz-Weiß-Fotografien des deutschen Fotografen August Sander kombiniert werden, die Portraits von ermordeten jüdischen Sammlern und Galeristen zeigen. Zum anderen daran, dass auf vielen Fotografien Unmengen von gestapelten Kisten mit konfiszierten oder später dann wiedergefundenen Kunstobjekten zu sehen sind, neben Hunderten von aneinandergelehnten und in Leinen verpackten Bilderahmen.
Die Assoziation zu den Leichnamen in den deutschen Vernichtungslagern ist unumgänglich. Kuratorin Darsie Alexander:
Darsie Alexander: „Jedes Mal, wenn wir die Berge von Gegenständen gesehen haben, mussten wir an die Menschen denken, die ihr Leben geopfert hatten. Es ist schwer, diese Verbindung nicht zu ziehen.“
Die Arbeiten verschwinden im historischen Kontext
Doch die Arbeiten verschwinden im historischen Kontext, der, so wichtig er auch ist, ihnen viel von ihrem Glanz nimmt. Dieser Eindruck verschwindet, wenn man den Raum mit geretteten persönlichen Gegenständen und zeremoniellen aus den jüdischen Gemeinden betritt. Hier ist der Zusammenhang zwischen den Objekten und dem Vernichtungsfeldzug gegen eine ganze Kultur offensichtlich und spürbar. Viele, die versucht haben, diese Gegenstände zu retten, haben den Krieg selber nicht überlebt.
Darsie Alexander: „Für mich ist diese Galerie das Herz und die Seele der Schau. Viele Ausstellungen über Nazi-Raubkunst werden ziemlich sensationalistisch vermarktet, und die Leute denken an aufsehenerregende Entdeckungen. Aber oft waren die Objekte, die gerettet wurden, bescheidenere Gegenstände, wie Bücher und Briefe und spirituelle, zeremonielle Objekte. Und sie sind natürlich nicht so glamourös wie ein Gemälde von Matisse und Picasso. Aber sie waren für die Gemeinschaften und die Familien so wichtig, dass sie ein Teil davon waren.“
Am Ende der Ausstellung bleibt die Erkenntnis: Es sind allein schon diese kleinen Gegenstände, die deutlich machen, wie wichtig es ist, Kunst vor Missbrauch und Zerstörung zu schützen.