Das Ende einer deutschen Geschichte – die Grand Prospekt Hall in Brooklyn wird abgerissen

von Andreas Robertz

Grand Prospect Hall in Brooklyn
Michael und Alica Halkias

Grand Prospect Hall in Brooklyn
The Grand Prospect Hall in Brooklyn
Grand Prospect Hall in Brooklyn
Ballsaal Grand Prospect Hall

Anfang des 19ten Jahrhunderts lebten etwas 600.000 Einwanderer deutscher Abstammung in New York. Es gab deutsche Schulen und Bibliotheken, Krankenhäuser, Theater und Bierhallen und sogar zwei deutsche Tageszeitungen. Die Lower East Side war damals nach Berlin und Wien die drittgrößte deutsche Gemeinde und an vielen Gebäuden der Stadt kann man noch heute deutsche Inschriften sehen. In Brooklyns Prospect Park Viertel war die Grand Prospect Hall das Zentrum des deutschen Lebens. Das aufwendig im viktorianischen Stil gebaute Gebäude war Heimat von Tanzveranstaltungen, Gesangs – und Sportvereinen. Und auch nachdem die meisten Deutschen Brooklyn längst wieder verlassen hatten, blieb die Halle ein beliebter Treffpunkt für große Festlichkeiten. Nun ist das mehr als 100 Jahre alte Gebäude plötzlich eingezäunt und sein Abriss scheint nicht mehr verhindert werden zu können – ein Stück Stadtgeschichte droht verloren zu gehen.


Fazit Deutschlandfunk Kultur

Die Grand Prospekt Hall in Brooklyn

„Wir machen ihre Träume war“ – für New Yorker gehörte diese ziemlich schlecht gemachte Werbung in den lokalen New Yorker Fernsehkanälen seit Jahren zum alltäglichen Leben. Besitzer Michael und Alica Halkias stehen mit ausgestreckten Armen auf der weiten Marmortreppe der Grand Prospect Hall und werben für unvergessliche Stunden – dazu Bilder des großen Ballsaales mit seinen bemalten Wänden, Decken und dem riesigen Lüster – eine Hochzeitsfantasie irgendwo zwischen Barock und Kitsch. Doch nun soll die Halle abgerissen werden. Dabei ist sie ein einmaliges Stück New Yorker Geschichte, denn in diesem Gebäude wird seit über hundert Jahren gefeiert, getanzt, gesungen und Heimatkunde gepflegt.

German Immigrants in Yorkville, New York City

Ruth Edebohl: Hier kamen die Menschen, die gerade in Amerika angekommen waren, hin, um sich mit ihren Landsleuten zu treffen. Man hatte das Gefühl von Gemeinschaft. Es war wie ein bisschen Heimat.

Ohne die Grand Prospekt Hall in Brooklyn gäbe es mich nicht

Ruth Edebohl

Für die heute 73-jährige Stadtteilhistorikerin Ruth Edebohls hat die Festhalle aber auch eine sehr persönliche Bedeutung:

Ruth Edebohl: Ohne die Grand Prospect Hall wäre ich gar nicht hier, weil sich meine Eltern, die deutsche Einwanderer waren, hier in den 1920er Jahren beim Tanz trafen. So hat es mir meine Tante Marlene erzählt. Also wenn es die Grand Prospect Hall nicht gegeben hätte, würde ich vielleicht nicht existieren.

Eine deutsche Einwanderungsgeschichte

Die Geschichte von Ruth Edebohls Eltern steht exemplarisch für so viele Einwanderungsgeschichten jener Zeit: Sie kamen als Teenager aus Debstedt und Dannenberg in der Nähe von Hamburg über Bremerhaven nach New York.Die Überfahrt wurde von denen bezahlt, für die sie dann auch in Brooklyn arbeiteten:

Ruth Edebohl: Meine Mutter arbeitete als Eisverkäufern für diese Leute. Und mein Vater war Maler- und Anstreicher, als er zuerst in Amerika ankam. Dann haben sie geheiratet und hier in der Nachbarschaft ein Delikatessengeschäft aufgemacht. Die Grand Prospect Hall war nur ein paar Häuserblocks entfernt. Mein Vater war ein sehr guter Tänzer und damit muss er meine Mutter dort beeindruckt haben.

Der erste Glasaufzug New Yorks

Neben dem barocken Tanzsaal gab es mehrere kleinere Säle, zwei große Terrassen, einen zauberhaften Blick auf den New Yorker Hafen, die Freiheitsstatue und:

Ruth Edebohl: Die hatten diesen wundervollen Aufzug mit Glas, das war sehr besonders. Ich glaube, es war der erste Glasaufzug in einem kommerziellen Gebäude überhaupt.

Nachdem Besitzer Michael Halkias 2020 an Covid verstarb, wurde das Gebäude für 30 Millionen Dollar an einen Bauunternehmer verkauft und soll nun einem Apartmentgebäude weichen. Man sagt das Interieur sei bereits rausgerissen. Eine Eilpetition, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen, hatte keinen Erfolg. Zu viel sei über die Jahre an der originalen Architektur verändert worden, heißt es in der Begründung. Für Ruth Edebohl ein unersetzbarer Verlust.

Das Ende einer deutschen Geschichte

Ruth Edebohl: Ich glaube, sie hatten viele Unterschriften und zu einer anderen Zeit hätte es vielleicht noch geklappt, aber es war schlechtes Timing. Sie sind rein und haben alles rausgerissen, bevor irgendjemand es realisierte. Es gibt nichts auch nur Annäherndes in der Stadt. Es war das Letzte seiner Art.

Brooklyn wächst und wächst und es fehlt an bezahlbaren Wohnraum. Deswegen ist es für Bauunternehmer recht einfach von der Stadt Abriss- und Baugenehmigungen zu bekommen. In die oft sehr teuren Neubauten ziehen dann Menschen, die Brooklyn wegen der Wohnqualität schätzen. Doch mit dem Abriss historischer Gebäude wie der Grand Prospect Hall schwindet genau diese.

The Grand Prospect hall in Januar 2022