„Make Florence great again“
von Andreas Robertz
New York versucht alles, um wieder auf die Beine zu kommen. Da passt es gut, dass es seit heute auch wieder eine international bedeutsame Ausstellung am Metropolitan Museum zu sehen gibt: “The Medici: Portraits and Politics, 1512–1570”. Drei Monate länger als geplant hat es gedauert, bis die mehr als 90 Kunstwerke aus der ganzen Welt nach New York kommen konnten – denn viele der Meisterwerke durften ohne Begleitpersonen nicht transportiert werden und die unterlagen strikten Covid Reisebeschränkungen. Andreas Robertz war für uns bei der ersten Ausstellungseröffnung vor Ort seit Beginn der Pandemie dabei
Max Hollein: Schon wenn man in die Ausstellung kommt, sieht man eines der wichtigsten Skulpturen der Kunstgeschichte: Cellinis Büste von Cosimo de Medici, ein herausragendes Kunstwerk der Bildhauerei, deren schiere Präsenz einfach überwältigend ist.
Max Hollein, Direktor des Metropolitan Museums, ist überzeugt davon, dass mit “The Medici: Portraits and Politics, 1512–1570”, dem Museum eine große internationale Ausstellung gelungen ist. Cellinis übergroße Bronzebüste wurde dafür vom Museo Nazionale del Bargello auf Elba eingeflogen. Sie zeigt Cosimo den Ersten als imperialen Herrscher antiker Glorie, mit reich geschmückter Brustplatte und dem Haupt der Medusa auf Herzhöhe.
Kleine Silberplättchen verleihen seinen Augen einen eindringlichen Blick, sein nach rechts gedrehter Kopf die kraftvolle Dynamik.
Make Florence Great again
Die Ausstellungmag viele begeisterte Renaissance Liebhaber anlocken, aber sie handelt nicht von den Michelangelos, Da Vincis und Botticellis, sondern wie der skrupellose Machtpolitiker Cosimo de Medici gezielt Kunst als Propaganda nutzte, zu einer Zeit als die Republik Florenz durch Pest und Krieg am Boden lag. Ganz im Sinne von: „Make Florence great again“ verwandelte er die Republik in ein absolutistisches Herzogtum. Cosimo legitimierte seine Politik mit kulturellen Leistungen wie dem Bau der Uffizien, der Gründung der Florentiner Akademie oder der Förderung von Künstlern wie Bronzino, Jacopo da Pontormo und Francesco Salviati. Diesen drei Malern ist mit über vierzig Arbeiten das Herzstück der Ausstellung gewidmet. Kurator Keith Christiansen:
Keith Christiansen: Der unverwechselbare Charakter der Florentiner Porträtmalerei, die sich stark von Venetien und der Porträtmalerei von Tizian, Tintoretto usw. unterschied, liegt in dem Gefühl, es gehe nicht in erster Linie um die Ähnlichkeit zur gemalten Person, sondern vielmehr darum, den Künstler durch eine Demonstration seiner Kunstfertigkeit zu etablieren, zu offenbaren.
Zu dieser Kunst gehörte ein präzises visuelles Vokabular, das die Portraitierte oder den Portraitierten in einen persönlichen und gesellschaftlichen Kontext setzte. Zum Beispiel grüne oder rote Hintergrundvorhänge als Hinweis ihres gesellschaftlichen Status, Kleidung, Schmuck und Handschuhe als Machtsymbole, eine Aura der nüchternen Distanz kombiniert mit künstlich wirkenden Gesten. Nicht selten wurde dabei die ernste Haltung durch Fratzen in Stuhllehnen und Tischkanten karikiert.
Zum Beispiel in Bronzinos „Portraits eines jungen Mannes mit Buch“. Neben den Fratzen an den Seiten hat der Maler eine dritte im schwarzen Samt seines Hemdes versteckt.
Keith Christiansen: Dieses Bild handelt von Gesichtern, Präsentation, Hochmut, Groteske, Komik und Ernst, alles in einem Bild vereint. Und je länger man es sich anschaut, desto mehr denkt man, es geht in Wahrheit um Identität. Was zeigen wir und was nicht? Es ist alles in diesem Bild und das liebe ich an dieser Epoche der Portraitkunst.
Kunst und Propaganda
Doch neben all den interessanten Details und der schieren Wucht der ausgestellten Meisterwerke, rückt das Thema der politischen Propaganda in den Hintergrund. Da hätte man sich mehr Diskussion und Provokation erhofft. Kurator Keith Christiansen weist auf den historischen Kontext:
Keith Christiansen: Es war ein Kompromiss zwischen der individuellen Freiheit der Republik und der Unabhängigkeit der Stadt von den Habsburgern, die Cosimo für die Stadt erlangte. Das finde ich interessant, wo wir heute so viel über nationale Identität nachdenken und uns mit der Balance zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlicher Freiheit als Ganzes beschäftigen.
Make Florence great again?
Cosimos Kulturpropaganda rechtfertigte unter anderem einen blutigen Krieg mit dem unabhängigen Siena von deren ursprünglich 40.000 Einwohnern nur 8.000 die jahrelange Belagerung überlebten. Cosimo wurde daraufhin 1556 zum Großherzog der Toskana ernannt. Ließen sich die Künstler für seine Machtpolitik missbrauchen?
Keith Christiansen: Ich habe offensichtlich keine Antwort darauf. Vieles an Cosimos Politik kann man nur vehement verurteilen, aber er hat Florenz einen Platz erobert, den die Stadt sonst nicht gehabt hätte. Und er hat auf außergewöhnliche Weise erkannt, dass die Kultur ihm das ermöglichte.
Am Ende der Ausstellung steht Cellinis Bronzebüste von Bindo Altoviti, einem ausgesprochenen Gegner Cosimos. Zumindest war die Kunstproduktion nicht auf die Medici und ihre Verbündeten reduziert. Aufgestellt wurde sie damals aber in Rom, wo der im Exil lebende Michelangelo sie pries.
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