Es ist zehn Jahre her, dass das MoMA in New York sein erstes Videospiel gekauft hat. Seitdem sind 35 dazugekommen. In einer neuen Ausstellung blickt es nun auf die entstandene Sammlung und untersucht, wie sehr Videospiele unsere Wahrnehmung und Verhalten verändert haben
von Andreas Robertz
Auf einem riesigen Bildschirm laufen Sequenzen von Videospielen: Ikonen wie Street Fighter 2, SIM City, Minecraft und Myst neben neueren, visuell fesselnden Produktionen wie „Inside“ oder „Monument Valley“. Zum ersten Mal stellt das Museum für Modern Art seine Sammlung von Videospielen und anderen interaktiven Designs unter dem Titel Never Alone aus.
Never Alone”- Videospiele als Kunst
Aber sind Videospiele Kunst? In seinem Grußwort schreibt der Museumsdirektor, bedeutende Videospiele verkörpern das Beste zeitgenössischer Kultur: visuelles Design, technologische Innovation und soziale Relevanz. Doch was macht ein bedeutendes Videospiel aus? Kuratorin Paola Antonelli:
Wir haben klassische Kriterien aufgestellt, die mit Raum, Zeit, Ästhetik und Funktion zu tun haben, aber auch Verhaltensdesign, also Design, das Verhalten und Entscheidungen beeinflusst. Ich finde es sehr wichtig, dass sich die Leute darüber bewusst sind. Ein anderes Kriterium war kultureller Einfluss. Ein Beispiel aus einem anderen Bereich: Das MoMA hat natürlich einen Volkswagen Käfer. Wir hätten einen aus der Vorkriegszeit haben können, oder ein aktuelles Modell. Aber wir haben das Modell von 1959, weil wir das Auto haben wollten, das in den Sechzigern zum echten Volksauto wurde. Deshalb treffen wir diese Entscheidungen aufgrund der Art der Kollektion und der Art dessen, was wir für modernes Design halten.
Von den 36 Spielen, die das MoMA in seine Sammlung aufgenommen hat, kann man zehn in der Ausstellung spielen. Dabei zeigt sich, dass sie sehr oft im Zusammenhang mit neuen technischen Anforderungen entwickelt wurden. Im Zentrum steht das Interface, also die Art und Weise, wie wir mit dem Spiel und der Maschine kommunizieren.
Monument Valley
Zum Beispiel in „Monument Valley“ des britischen Entwicklers ustwo. In einer architektonischen Wunderwelt muss eine kleine Prinzessin geometrische Rätsel lösen. Das Spiel entstand, als für iPads und Touchscreens völlig neue Interfaces entwickelt werden mussten, ohne Joystick und Tastatur. Berührung und Scrollen wurden die neuen Bedienungselemente. Neben seinem wunderschönen Design war das Spiel für heutige Smartphone Spiele wegbereitend.
Die Ausstellung zeigt auch Spiele, die vom Designstandpunkt aus besonders innovativ waren.
Scheitern als Ziel
Zum Beispiel„Getting Over It With“ des australischen Designers Bennett Foddy. Ein Mann, der in einem Kessel feststeckt, muss sich mit Hilfe eines Vorschlaghammers unglaublich mühsam über einen Berg wuchten. Kurator Paul Galloway:
Bennett Foddys „Getting Over It“ ist möglicherweise die nervigste, schrecklichste Erfahrung, die man beim Spielen eines Videospiels machen kann. Aber, wenn man durchhält, wird es wirklich tiefgründig. Es lässt dich darüber nachdenken, warum wir Spiele spielen, was es mit Scheitern und Frustration auf sich hat und wie diese Erfahrung ein wichtiges Element für jede Art von Kreativität ist.
Never Alone
Welche kulturelle Bedeutung Videospiele haben kann, zeigt das Spiel „Never Alone“, das der Ausstellung ihren Namen gibt. Es wurde zusammen mit dem indigenen Volk der Iñupiat in Alaska entwickelt und handelt von der Bedrohung durch das veränderte Klima. Für Kuratorin Paola Antonelli ein gutes Beispiel dafür, wie Videospiele kulturelle Brücken schlagen können:
Es ist die Geschichte eines kleinen Mädchens, das mit ihrem Polarfuchs ihr Dorf retten muss, durch Abenteuer und Ratschläge ihrer Stammesälteren. Es ist ein sehr schönes Spiel, aber es bot für uns auch die Gelegenheit, zu zeigen, dass Videospiele nicht nur Entertainment und Flucht aus dem Alltag sind. Sie bieten auch Wege uns miteinander zu verbinden.
Die Lust am Spiel(en)
Die Ausstellung liefert eine faszinierende Übersicht über die Entwicklung der Videospiele und ihre interaktiven Designs. Aber erst durch die Möglichkeit, viele von ihnen auch ausprobieren zu können, zelebriert sie ihren vielleicht wichtigsten kulturellen Aspekt: Der reinen Lust am Spielen. Der Eintritt ist übrigens frei.
Never Alone ist noch bis zum 16. Juli 2023 am MoMA in New York zu sehen.