Die New York Historical Society untersucht die schwierige Geschichte der USA mit ihren Monumenten
von Andreas Robertz

Am18. Januar wurde die Reiterstatue des US Präsidenten Theodore Roosevelt vor dem Eingang des New Yorker Naturkunde Museums entfernt. Während der Unruhen nach der Ermordung von George Floyd wurde die Statue als Symbol für weiße Überlegenheitsideologie und Rassismus zur Zielscheide von Aktionen und Protesten. Die 1940 enthüllte Bronzestatue zeigte Roosevelt in einer heroischen Pose zu Pferd, flankiert von zwei hemdlosen, namenlosen Waffenträgern: einem indigenen Mann zu seiner Rechten und einem Schwarzen zu seiner Linken. Das Museum hatte zwar erst noch versucht, die Statue mit einer Hinweistafel zu kontextualisieren, aber für Viele blieb sie eine unerträgliche Provokation.
In dem erbitterten Kulturkampf, der spätestens seit der Wahl Donald Trumps in den USA tobt, steht der Umgang mit Monumenten oft im Mittelpunkt. Eine neue Ausstellung in der New Yorker Historische Gesellschaft mit dem Titel Monuments: Commemoration and Controversy thematisiert die schwierige und oft gewaltsame Geschichte der USA mit ihren Monumenten.
Wendy Nālani Ikemoto: Ich möchte, dass die Besucher verstehen, dass diese ganzen hitzigen Debatten, die so aktuell erscheinen, eine lange Geschichte haben. Im Kontext der Vereinigten Staaten gehen sie bis zu ihrer Gründung zurück. Das Aufstellen, Niederreißen und Umdeuten von Denkmälern ist ein Phänomen, das Jahrhunderte alt ist.
Monumente sind nicht in Stein gemeisselte Geschichte
Kuratorin Wendy Nālani Ikemoto hat für ihr Vorhaben nur einen kleineren Ausstellungraum zu Verfügung. Trotzdem erliegt sie nicht der Versuchung, den Raum mit Exponaten vollzupacken. Mit wenigen Objekten wie Statuen, Bildern, Landkarten, Münzen, Gedichten und Modellen hinterfragt sie den weitverbreiteten Eindruck, dass Monumente statische, in Stein gemeißelte oder in Bronze gegossene Geschichte sind:
Wendy Nālani Ikemoto: Ich denke, öffentliche Denkmäler sind immer „work in progress“ – immer in Arbeit – ,aber wir glauben, dass sie fixiert sind. Physisch sind sie solide, viele von ihnen aus Bronze, um den Launen des Wetters standzuhalten, aber sie müssen finanziert werden. Sie bedürfen der Pflege. Sie werden angegriffen und abgerissen. Sie verändern sich ständig.
Wenn Wut sich gegen Denkmäler richtet

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Zum Beispiel, die gleich am Anfang der Ausstellung zu sehende kopflose Statue von William Pitt.Pitt war ein englischer Politiker, der sich im Streit um die Besteuerung der amerikanischen Kolonien 1766 auf die Seite der Kolonisten stellte. Als Dank errichteten ihm die New Yorker eine Marmorstatue an der Wall Street. Als die Engländer 10 Jahre später die Stadt besetzten, exekutierten sie die Statue, indem sie sie köpften. Sie blieb in diesem Zustand und war noch lange nach der Besetzung ein Wahrzeichen für den Widerstandsgeist des revolutionären New Yorks.
Oder das Schicksal der vergoldeten Reiterstatue von King George III., die an der Südspitze Manhattans über den Hafen wachte. Nach der Unabhängigkeitserklärung wurde sie von wütenden Kolonisten von ihrem Sockel gestürzt und in Stücke geschlagen, das Blei wurde zu Gewehrkugeln geschmolzen. Der Sockel blieb 40 Jahre lang leer stehen und wurde zum ersten Denkmal der neuen Republik.

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Wird hier Geschichte gemacht oder ausradiert?
Für Kuratorin Wendy Nālani Ikemoto stellt sich die Frage, ob hier Geschichte gemacht oder ausradiert wurde:
Wendy Nālani Ikemoto: Genau darum geht es heute bei den Kulturkriegen. Löschen wir durch das Entfernen von Denkmälern Geschichte, oder schreiben wir sie? Im Falle der King George Statue ist das sehr interessant, weil mit dem leeren Sockel ein neues Denkmal geschaffen wurde, das zum Symbol der Revolution und der hart errungenen Befreiung wurde.
Ein Beispiel für eine andere Art der Zerstörung zeigt das Schicksal der fünf Meter hohen Skulptur „Lift Every Voice and Sing” der schwarzen Bildhauerin Augusta Savage. Sie war eine Auftragsarbeit zur Weltausstellung 1939 und sollte schwarze Musik ehren. Singende Frauen und Männer standen in einer Reihe hintereinander, ihre Körper bildeten die Form einer Harfe. Das Monument war so beliebt, dass unzählige kleine Kopien als Andenken verkauft wurden.

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Augusta Savages verlorene Skulptur
Wendy Nālani Ikemoto: Augusta Savage war die einzige schwarze Künstlerin, die einen Auftrag von der New Yorker Weltausstellung 1939 erhielt. Das Life-Magazin berichtete sogar, dass sie eine der wenigen schwarzen Künstlerinnen war, die mit etwas anderem beauftragt wurde, als mit Hacken und Schaufeln. Das war zur Hochzeit der Rassentrennung. Es war ein großer Erfolg und ihre Skulptur war sehr beliebt. Und dann wurde sie am Ende der Ausstellung dem Erdboden gleichgemacht. Sie ist für immer weg und hat nur durch die kleinen Souvenirs überlebt.
In diesem Fall bestimmte der rassistische Zeitgeist, dass die Arbeit es nicht wert war, erhalten zu bleiben.
Gesellschaft als Kontext
Die Ausstellung Monuments zeigt, dass ein Denkmal etwas sehr spezifisches auf direkte und visuelle Weise erzählt. Da es mit der Zeit seinen konkreten historischen Kontext verliert, ist der öffentliche Raum, sprich die Gesellschaft, in der es steht, sein Umfeld. Verändere sich das Wertesystem, verändere sich auch das Monument selbst, erklärt Kuratorin Wendy Nālani Ikemoto. Es werde obsolet oder bekomme eine neue Bedeutung. Die Ausstellung nimmt dazu keine eindeutige Haltung ein. Sie bietet nur einen historischen Kontext, der zeigt, wie fragil diese für die Ewigkeit aufgestellten Kolosse wirklich sind.
Wendy Nālani Ikemoto: Ich möchte, dass die Besucher verstehen, dass diese ganzen hitzigen Debatten, die so aktuell erscheinen, eine lange Geschichte haben. Im Kontext der Vereinigten Staaten gehen sie bis zu ihrer Gründung zurück. Das Aufstellen, Niederreißen und Umdeuten von Denkmälern ist ein Phänomen, das Jahrhunderte alt ist.