Ausdauer, Widerstand, Transformation – die diesjährige Triennale am New Museum in New York stellt spannende neue Künstler vor
von Andreas Robertz
Alle drei Jahre bietet das New Museum in Manhattan, New Yorks Museum für zeitgenössische Kunst, eine große Werkschau junger, bisher noch weithin unbekannter Künstler*innen. Mit durchaus provokanten Titeln wie „Younger Than Jesus“ (Jünger als Jesus), „The Ungovernables“ (die Unregierbaren) oder „Song for Sabotage“ (Lieder zur Sabotage) setzen die Macher auf innovative Arbeiten, die ganz nah an dem sind, was Künstler*innen heute am meisten beschäftigt. Dieses Jahr haben sich die Kuratorinnen für Worte aus einem Sprichwort entschieden, dass es so oder in ähnlicher Form in vielen Kulturen gibt: „Soft Water Hard Stone“ – Weiches Wasser harter Stein. Und passend dazu wurden zum ersten Mal zahlreiche Künstler*innen mit indigenem Hintergrund eingeladen
Margot Norton: Sie heißt Mamá Luchona. Der Künstler hat sie extra für diese Ausstellung gemacht. Für ihn ist sie die Mutter aller seiner Skulpturen.
Die Kuratorin der Ausstellung Margot Norton steht vor einer Arbeit von Gabriel Chaile. Mamá Luchona ist eine beindruckende vier Meter hohe, bauchige Skulptur aus rotem Lehm. Ihre raue erdige Oberfläche gibt ihr etwas von einer Lehmhütte mit einem eisernen Kaminschutz auf ihrer Spitze. Mit zwei Vorderbeinen und winzigen Augen hat sie etwas von einem Fabelwesen. Der argentinische Künstler stellt seine Skulpturen mit traditionellen Methoden des Lehmofenbaus argentinischer Ureinwohner her. Ihre Form erinnert auch an kleine Figurinen von Muttergottheiten, die man aus Vitrinen kunsthistorischer Museen kennt.
Margot Norton: Er selbst kommt aus einer indigenen Community und er zeigt, wie all diese kleinen Artefakte, die in Museumsauslagen quasi gefangen sind, verwandelt werden können. Er gibt ihnen eine neue Abstammung, ein neues Vermächtnis und neues Leben. Er wehrt sich dagegen, wie sie in institutionellen Kontexten kolonisiert und negativ behandelt wurden.
Soft Water Hard Stone – Visibility
Visibility – Sichtbarkeit – ist eines der wichtigen Themen der Ausstellung. Zum Beispiel für die kanadisch-indigene Künstlerin Jeneen Frei Njootli. Sie hat ihr Körpergewicht mit winzigen Perlen aufgewogen und in verschiedenen Ecken und Ritzen des Museums und sogar – besonders auffällig – auf dem Gehweg vor dem Museum verteilt. Gastkuratorin Jamillah James:
Jamillah James: Es ist eine Meditation über Sichtbarkeit und Abwesenheit. Künstler stellen sich nie wirklich gerne selbst in ihrer Arbeit dar, aber die Arbeit weist auf diese Erfahrung hin und im größeren Kontext auf Gewalt und Kolonisation…
Margot Norton: Die Perlen verweisen auch auf alle diese übersehenen Geschichten, die im Boden unter uns vergraben sind. Es ist wichtig das mitzudenken.
Soft Water Hard Stone – Transformation und Widerstand
Ein anderes wichtiges Thema dieser Ausstellung ist die Veränderbarkeit scheinbar statischer Materialien.
Jamillah James: In den ersten zwei Jahren der Vorbereitung haben wir bestimmte Tendenzen unter den Künstlern gesehen, nicht nur an diese vergessenen Geschichten zu erinnern, sondern auch über Akte des Widerstands nachzudenken. Außerdem gab es eine verstärkte Beschäftigung mit Materialien und wie sie sich verändern können.
Ein kleiner Metallhammer stößt unaufhörlich gegen einen Granitstein, unvollständig entwickelte Fotografien werden im Laufe der Zeit durch das Licht in den Ausstellungsräumen immer heller, ein Labyrinth aus mit Wasser gefüllten Plexiglasröhren verändert seine Farbe durch einen schwarzen Pilz, der in ihnen immer weiter wächst – all dies sind faszinierende Beispiele dieser Idee.
Soft Water Hard Stone – Verstecken und Enthüllen
Auf einem Bildschirm-Triptychon taucht immer wieder ein schwarzer Mann in einem weiten dunklen Umhang auf, manchmal sieht man sein Gesicht, manchmal entstehen interessante Farbveränderungen in den Pixeln des Videos. Das Video ist geloopt, zusammen mit der Musik entsteht ein hypnotischer Effekt.
Die kongolesische Künstlerin Sandra Mujinga nennt ihre Arbeit „Pervasive Light“. Für Kuratorin Margot Norton ein wichtiges Beispiel für den Umgang mit dem Gefühl, dass sich alles immer wieder einer Festlegung entzieht.
Zustände unvermeidlicher Veränderung
Margot Norton: In den meisten, wenn nicht sogar allen Werken der Ausstellung geht es darum, Zustände unvermeidlicher Veränderung anzunehmen und sie sogar zu feiern. Wie bei diesem Stück. Es ist ein Bild, das nicht wirklich eingefangen werden kann, das nicht dauerhaft oder fest ist. Man muss es erleben. In dieser Ausstellung ist es wirklich wichtig, mit diesen Objekten im Raum zu sein. Es geht um etwas, das sich ständig verwandelt und verändert und sich gegenseitig beeinflusst. Viele Künstler begrüßen das.
„Soft Water Hard Stone“ ist eine wichtige künstlerische Bestandsaufnahme eines gesellschaftlichen Momentes, in denen vieles, was als unveränderlich angesehen wurde, ins Wanken geraten ist. Die Werke der 40 ausstellenden Künstler*innen suggerieren dabei auf schöne und erfrischende Weise einen neuen, von Neugier geleiteten Umgang mit diesem Wandel – statt Angst und Nostalgie.
Die Ausstellung ist noch bis zum 23. Januar im New Museum in Manhattan zu sehen.