The National Black Theater in Harlem will hoch hinaus

von Andreas Robertz

The National Black Theater in Harlem will hoch hinaus
Rendering of new National Black Theater building @ CityRealty
Es klang wie ein Donnerschlag, als das National Black Theater in Harlem, New York, in der New York Times Anfang Juni ankündigte, das eigene Theatergebäude abzureißen und stattdessen ein Hochhaus mit 21 Stockwerken zu bauen. Neben 220 Wohnungen sollen dort ein Kulturzentrum, ein Wellness-Center, Geschäftsflächen, Tagungsräume, Werkstätten, eine Gemeinschaftsküche und natürlich ein nagelneues Theater entstehen. Das Theater gehe damit einen weiteren Schritt in Richtung Black Liberation, hieß es in der Presseerklärung. Man setze die Vision von Gründerin Barbara Ann Teer fort.


Jonathan McCrory: Wie stark wäre das, wenn Kulturinstitutionen und Kreative begreifen würden, dass sie unternehmerisch dadurch Autonomie erlangen können, indem sie die Zügel selbst in die Hand nehmen, anstatt von den wechselhaften Launen von Mäzenen abhängig zu sein.

Jonathan McCrory ist der künstlerische Leiter des Black National Theaters. Theater und Kunst kann Afroamerikanern helfen, sich von den inneren Fesseln der Sklaverei zu befreien und über sich hinaus zu wachsen. Das zumindest, so erklärt er, war die feste Überzeugung von Gründerin Barbara Ann Teer, als sie 1968 das National Black Theater ins Leben rief.

Immobilie als Garant für künstlerische Unabhängigkeit

Jonathan McCrory: Dr. Teer ging es wirklich darum, wie sie die Sklavenmentalität aufbrechen kann, mit der sich viele schwarze Menschen identifiziert hatten. Wie könnte sie ihnen helfen, sich zu befreien? Wie sieht Befreiung aus? Sie nutzte die Sprache des Theaters, weil wir die alle verstehen konnten, aber es ging ihr um etwas viel Größeres.

Dr. Barbara Ann Teer 1980 National Black Theater

Die erste schwazre Intendantin

Als das Theater 1980 durch einen Brand zerstört wurde, dachten viele, das wäre das Aus. Aber mit Hilfe unzähliger Kleinstspenden aus der Community kaufte Barbara Ann Teer kurzentschlossen das ganze Haus. Es war das erste schwarze, von einer Frau geleitete Theater, das sich aus selbst erwirtschafteten Einkünften finanzieren konnte. Barbara Ann Teer starb 2008, doch ihre Vision überlebte. Heute gehe das National Black Theater den nächsten Schritt, sagt Jonathan McCrory nicht ohne Stolz. An Stelle des alten dreistöckigen Gebäudes im Herzen Harlems soll ein 21-stöckiger Wolkenkratzer entstehen.

Die Gunst der Stunde nutzen

Doch wie finanziert das Theater ein solches Investment? Harlem gehört seit längerem zu einem der am härtesten umkämpften Immobilienmärkte Manhattans. Diesen Trend nutzt das Black National Theater nun für seine Zwecke und seine Community. Denn ein Teil der 220 Apartments soll für Geringverdiener und Gäste des Theaters sein und das Black National Theater bezieht mit zwei neuen Bühnen die ersten vier Stockwerke des Gebäudes. Eine Allianz zwischen der Immobilienfirma der russisch-amerikanischen Kunstliebhaberin Dasha Zhukova und einem von der Stadt geförderten Wohnbauträger macht es möglich. Für Intendant Jonathan McCrory ist der Deal ein Wagnis, denn zu oft erweist sich die Zusammenarbeit mit Immobilienfirmen und Banken als ein Pakt mit dem Teufel:


Christine Jean Chambers

Jonathan McCrory: Es gibt so viele Geschichten über Immobilienfirmen und Kulturträgern, normalerweise kommt etwas wirklich Schlechtes und oft Hässliches dabei heraus. Wir haben uns die Zeit genommen, um wirklich sicherzustellen, dass der Deal, den wir eingehen, uns die bestmögliche Gelegenheit bietet, eine neue Einrichtung aufbauen, eine, die unseren Wünschen und unserer Mission entspricht.

Mit dem Herzen führen

Seit wenigen Tagen steht der Baubeginn nun fest. Anfang Oktober wird der Grundstein für das neue Gebäude gelegt. Bis dahin zieht das Theater ins Apollo Theater nur wenige Häuserblocks entfernt. Und der neue Spielplan ist vollgepackt: Co-Produktionen mit der Carnegie Hall, den New Yorker Symphonikern, dem Public Theater und anderen Off-Broadway-Häusern sind bereits angekündigt. Jonathan McCrory schaut mit viel Mut und Zuversicht in die Zukunft.

Jonathan McCrory: Es gibt jede Menge Euphorie über diesen Neubau. Aber auch wie wir diesen Bau umsetzen. Wir machen das mit tiefem Mitgefühl und Mut – Courage. Die Etymologie des Wortes Courage kommt „vom Herzen“, „mit dem Herzen führen“. Und ich glaube, dass wir das tun. Wir fragen immer, was wir mit dem Herzen für unsere Community tun können und wie wir das durch den Bau dieses Gebäudes vervielfachen können?

Die Ankündigung des Neubaus kommt zu einer Zeit, in der New Yorks Kulturinstitutionen neue Wege aus der finanziellen und gesellschaftlichen Krise suchen. Das Black National Theater ist dabei zu einem begehrten Kooperationspartner geworden – und vielleicht auch zu einem Vorbild.