Die Ausstellung „Art for the Millions“ am Metropolitan Museum in New York zeigt politische Kunst aus den Dreißiger Jahren.
Von Andreas Robertz (English version here)
Die dreißiger Jahre waren in den USA vom Börsencrash in New York 1929 und der nachfolgenden Weltwirtschaftskrise geprägt, Massenarbeitslosigkeit, Verarmung und politische Radikalisierung waren die Folge. Ein erfolgreiches Sozialprogramm der Regierung von Franklin D. Roosevelt brachte Tausende von Arbeitslosen, darunter auch viele Künstler, neue Chancen. Eine Ausstellung am Metropolitan Museum in New York zeigt Arbeiten aus dieser Zeit und eröffnet erstaunliche Parallelen zur heutigen Situation.
Ein Mann am Fließband wird in die Maschine gezogen, in der er zwischen riesigen Zahnrädern hin- und hergeschoben wird. Charlie Chaplins berühmter Film „Modern Times“ aus dem Jahr 1936 ist auch ein Dokument über die unmenschlichen Arbeitsbedingungen, in denen sich viele Arbeiter in den dreißiger Jahren wiederfanden. Der Kuratorin Allison Rudrick ist es wichtig, zu zeigen, dass der politische Aktivismus vieler Künstler seinen Ursprung in den harschen Lebensbedingungen der Menschen in den dreißiger Jahren hatte.
Die Wirtschaftskrise als roter Faden
Auf dem Höhepunkt der Krise 1933 waren etwa 25 % der gesamten Erwerbsbevölkerung arbeitslos. Dies war ein Moment weit verbreiteter Armut und Not und viele Menschen im ganzen Land haben sich gewehrt. Es ist wichtig, dass die Besucher verstehen, dass sich die Depression wie ein roter Faden durch alle in dieser Ausstellung gezeigten Praktiken zieht und dass aktivistische Kunst eine weit verbreitete und wichtige Reaktion auf dieses schwierige Jahrzehnt darstellte.
In Bildern, Prints, Lithografien, Plakaten, Fotografien, Videos, Modeentwürfen und Skulpturen zeigt die Ausstellung, wie Künstler auf diese Krise reagierten, sei es mit politischem Aktivismus, patriotischer Rückbesinnung oder futuristischem Optimismus.
In den frühen 1930er Jahren rief Präsident Roosevelt den „New Deal“ ins Leben, der im Wesentlichen ein Dachprogramm war, unter dem viele, viele Initiativen zur Wiederbelebung der Wirtschaft entwickelt wurden, und eine davon hieß „Work’s Progress Administration“ oder WPA (Double-u-p-a). Und die WPA war speziell darauf ausgerichtet, arbeitslose Menschen in allen möglichen Bereichen und Branchen zu beschäftigen, darunter auch in der Kunst, was ziemlich bemerkenswert ist, wenn man heute darüber nachdenkt.
The New Deal als Rettung der Künste
Obwohl die WPA später viel wegen ihrer willkürlichen Auswahlkriterien kritisiert wurde, gab sie doch vielen KünstlerInnen die Möglichkeit neue Arbeit zu finden, vor allem auch solchen, die wegen ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts normalerweise wenig Zugang zu Ausstellungsangeboten und Arbeitsaufträgen hatten. So findet man in der Ausstellung viele Beispiele von Frauen und schwarzen Künstlern, die sich sozialpolitisch engagierten, wie zum Beispiel der Künstler Norman Lewis, dessen Druck „The Soup Kitchen“ – die Suppenküche – schwarze Menschen zeigt, die Schlange vor einer Essensausgabe mit der Aufschrift WPA stehen.
Wenn Kunst patriotisch wird
Die Initiative propagierte auch ein Kunstverständnis, das sich von europäischen Einflüssen lossagte und Materialien und Techniken bevorzugte, die billig und leicht zu bekommen waren: Wasserfarbe, Linoleum- und Siebdrucke, Holz und Aluminium. Sie galten als amerikanisch und demokratisch.
Die Ausstellung endet mit einem Blick auf die visuelle Kultur rund um die Ideen des amerikanischen Exzeptionalismus, d. h. auf die visuellen Manifestationen von Ideen der technologischen und industriellen Innovation und des Fortschritts und wie sich die Vereinigten Staaten insbesondere in den späten dreißiger und frühen vierziger Jahren durch diese Fortschritte auszeichneten.
Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür ist die erste Ausgabe des Life Magazins mit einer Fotografie der riesigen Betonpfeiler des Fort Peck Damms in Montana, winzig daneben: zwei Arbeiter, die ein Kabel schleppen. Oder die blitzsaubere Wurstschneidemaschine von Hobart aus Aluminium mit dem Namen: “Streamliner”. Futuristisch, optimistisch, monumental und amerikanisch – so sollten die Designs sein. Die Spitze dieser Bewegung waren die großen Weltausstellungen in Chicago und New York 1933 und 1939 mit mehr als 55 Millionen Besuchern.
Einer der wichtigsten Punkte, die diese Ausstellung vermitteln will, ist die Tatsache, dass Objekte wie Plakate, Postkarten, Zeitschriftenillustrationen, diese Art von visuellen Formen ein breites Publikum erreichten, ein Publikum, das nicht unbedingt in ein Museum gekommen wäre, um einzigartige Gemälde und Skulpturen zu sehen, und dass selbst eine einfache Postkarte mit ihrer Darstellung futuristischer Architektur dazu diente, der Öffentlichkeit und der Zukunft des Landes Hoffnung einzuflößen.
Die Ausstellung gibt einen guten Eindruck von einer der schwierigsten und dramatischsten Dekaden der amerikanischen Geschichte, die gleichzeitig die Geburtsstunde einer eigenständigen, amerikanischen Kunstrichtung wurde: sehr empfehlenswert.
Die Ausstellung „Art for the Millions“ ist noch bis zum 10. Dezember im Met zu sehen.